Ein Biedermeier-Wüstling (Martin Bermoser) lernt in den Armen der Fee Cheristane (Grischka Voss) Demut: eine etwas schaumgebremste Raimund-Huldigung im niederösterreichischen Gutenstein.

Foto: Raimundspiele / Joachim Kern

Als Ferdinand Raimund seine Originalzaubermärchen ersann, lag ihm die Läuterung der Biedermeiermenschen am Herzen. Um ihre Habgier herauszustreichen, gesellte er ihnen Zauberwesen bei. Gute Feen wie die in sehr irdischer Liebe zu dem Millionär Flottwell entbrannte Cheristane in Der Verschwender: Die wendet – nach Verzicht auf die Freuden der Fleischeslust – als unsichtbare Schicksalskraft die monetäre Zwangslage ihres Schützlings zum Guten.

Gar nicht so sehr im Geheimen wirken die Schicksalskräfte in Niederösterreich. Als gute Zauberkönigin lenkt Andrea Eckert die Geschicke der Raimundspiele Gutenstein zum dritten Mal. Der wahre Feenkönig sitzt in der charismatischen Gestalt Erwin Prölls in der ersten Reihe Parkett fußfrei.

Unbegrenzte Strahlkraft

Und so gilt es nicht so sehr, die leidlich gelungene Premiere des Verschwenders anno 2018 anzuzeigen. Viel wichtiger scheint es, der unbegrenzten Strahlkraft landesfürstlicher Gewalt zu huldigen. Auf die Begrüßung durch den amtierenden Bürgermeister folgte ein rührendes Referat des Altbürgermeisters über die Entstehung der Raimundspiele. Daraufhin wollten sich Landesrätin und Landesrat ihrerseits nicht lumpen lassen. Als der Abend zufriedenstellend eröffnet schien, war er schon sehr fortgeschritten. Über aller Feierstimmung webte ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber einer Zauberkraft, die in St. Pölten ihren Ausgang nimmt und Fördergeld in das Piestingtal investiert.

Unversteifte Schlangen

Behutsam hat auch Regisseurin Veronika Glatzner ein Füllhorn an Ideen über den Verschwender ausgegossen. Den Boden im Festzelt bildet eine Biedermeiertapete. Aus diesem Gemütsteppich steigen Einzelstreifen wie unversteifte Schlangen in die Höhe (Ausstattung: Paul und Marie Sturminger). Die Bahnen bilden die Konturen von Flottwells (Martin Bermoser) Wohnstätte. In der vermag kein Feenstaub die Neurosen einer komplett vom Geld korrumpierten Gesellschaft zu kurieren. Ihren Herzensrhythmus findet die Unternehmung, wenn sie des Dichters Naivität mit Bildern seiner Daseinsangst konfrontiert.

Cheristane (Grischka Voss) und der von ihr zu Flottwell gesandte Bettler (Prinzipalin Eckert) wallen wie Macbeth-Hexen aus dem Bühnenboden. Der herrlichste Raimund-Held ist eine Nebenfigur. Der Chevalier Dumont (Eduard Wildner) französelt sich als Kuriositätensammler durch das Alpenvorland. Mit einem Kinderfernrohr nimmt er eine Bäuerin in den Blick und bestaunt sie wie eine bizarre Erhebung inmitten einer planen Landschaft. Mehr solche Wahnsinnsproben hätten der Geschichte von Flottwells Läuterung gutgetan. (Ronald Pohl, 12.7.2018)