"Wir haben zwei tolle Tage erlebt", sagte Donald Trump zum Abschluss des Nato-Gipfels in Brüssel. Ob das alle Nato-Partner so gesehen haben, ist fraglich. Der Gipfel war von Trumps Forderungen dominiert.

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Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko staunte Donnerstagfrüh nicht schlecht, als er während der laufenden Sitzung beim Nato-Gipfel in Brüssel unverhofft in eine schwere Auseinandersetzung über die Militärausgaben des Bündnisses geriet. Er war gemeinsam mit seinem Kollegen aus Georgien eingeladen, um über den Ausbau der Sicherheitszusammenarbeit zu beraten und eine Deklaration zu verabschieden.

Bereits am Vortag hatte der Nordatlantikrat in einer Erklärung die Annexion der Krim durch Russland erneut scharf verurteilt und das Engagement für die Ukraine bekräftigt. Beiden Staaten wurde die Aussicht auf einen Beitritt zum Bündnis prinzipiell bestätigt. Die 29 Nato-Mitglieder hatten auch beschlossen, ihre Militärausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen, weiters soll die militärische Stärke in Osteuropa ausgebaut werden. So will man eventuellen russischen Aggressionen besser begegnen, auch im Interesse der Ukraine.

Aber unvermittelt war die Harmonie zu Ende. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bat nicht nur Poroschenko und andere Gäste, Botschafter und Experten, den Saal zu verlassen: Es folgte eine Krisensitzung, nur für die Chefs der Nato-Mitglieder. Den Anlass hatte – wie schon am Vortag – US-Präsident Donald Trump geliefert. In "harten Worten", wie er später selbst einräumte, brachte er erneut das Thema Militärausgaben vor. Er schoss sich nach Angaben aus Delegationskreisen nicht nur auf Deutschland ein, sondern auch auf Spanien und Belgien.

Drohung

Alle Staaten müssten bereits im nächsten Jahr zwei Prozent des BIP für ihr Militär ausgeben, nicht erst 2024. Sollten die Europäer dem nicht nachkommen, könnten die USA "ihr eigenes Ding" machen. Das wurde von Partnern als klare Drohung empfunden, die USA könnten die Nato verlassen.

Es folgte "eine harte, aber offene Diskussion", wie Stoltenberg später einräumte. Alle Partner wüssten nun, worum es gehe. Trump habe dem Thema jene "Dringlichkeit" gegeben, die nun alle auch verstanden hätten. Zwischenzeitlich machte unter Diplomaten die Sorge die Runde, der Gipfel könnte von Trump sogar gesprengt werden, sollte er das beschlossene Kommuniqué nach seiner Weiterreise nach London widerrufen.

Frankreichs Präsident trat dem entgegen. Es sei durchaus respektvoll, ohne direkte Angriffe geredet worden. Für die "Kohärenz" der Nato sei es unabdingbar, dass die Militärausgaben erhöht würden. Sein Land werde das Ziel der zwei Prozent 2024 erreichen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, welche Trump besonders im Visier hatte, bekräftigte, dass Berlin sich um die versprochene Anhebung bemühen werde. Ob das dann über die für 2024 angestrebten 1,5 Prozent des BIP hinausgehen könnte, was dem US-Präsidenten viel zu wenig ist, wollte sie explizit nicht sagen. Sie sprach von der "deutlichen Bereitschaft aller, angesichts veränderter Sicherheitslagen den eigenen Beitrag auch zu leisten".

US-Präsident droht und lobt

Trump zeigte sich zum Abschluss in einer spontan einberufenen Pressekonferenz jovial und überraschend zufrieden. "Wir haben zwei tolle Tage erlebt", sagte er, es sei "ein erfolgreicher Gipfel gewesen. Die Nato ist stärker als vor zwei Tagen." Er freue sich, dass die Partner nun bereit seien, für Militärausgaben viel mehr zu tun, auf diese "meine Sorge" habe er hinweisen wollen. Als er das vor einem Jahr bei einem Besuch bei der Nato gefordert habe, sei das nicht entsprechend ernst genommen worden. Man habe das Zweiprozentziel als ungefähre Größe angesehen. Aber niemand habe das ernst genommen, alle hätten geglaubt, dass die USA schon weiter für die Sicherheit in Europa sorgen würden. "Nun gibt es dazu eine klare Vereinbarung", erklärte der US-Präsident.

Was Merkel und Deutschland betreffe, habe er "Respekt". Trump bekräftigte aber seine Kritik am deutschen Gaspipelineprojekt Nordstream 2 mit Russland, das Moskau in die Hände spiele. Am Montag wird Trump in Helsinki zu einem ersten offiziellen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen. Man werde dabei über alles reden, sagte der US-Präsident, über die Ukraine, die Annexion der Krim, über russische Einmischung im US-Wahlkampf. Er habe bei Putin eine stärkere Nato denn je im Gepäck. (Thomas Mayer aus Brüssel, 12.7.2018)