Bogota – Jahrzehntelang mordeten, plünderten und entführten die Farc-Rebellen in Kolumbien – jetzt muss sich die Führungsriege der linken Guerillaorganisation erstmals vor Gericht verantworten. Für Freitag hat die Sonderjustiz für den Frieden (JEP) 32 ehemalige Anführer der Farc vorgeladen. In dem ersten Verfahren geht es um bis zu 8500 Entführungen in den Jahren 1993 bis 2012.

"Die juristische Aufarbeitung der während des Konflikts verübten Verbrechen ist eine wichtige Komponente des Friedensprozesses", sagt Kai Ambos, Professor für internationales Strafrecht an der Universität Göttingen. "Es ist entscheidend, dass die Täter in irgendeiner Weise zu Verantwortung gezogen werden." Ambos unterstützt die Sonderjustiz in Kolumbien als externer Berater.

Unter den Verdächtigen sind die früheren Farc-Kommandanten Rodrigo Londono, Iván Márquez, Pablo Catatumbo, Carlos Antonio Lozada und Jesús Santrich. Sieben der 32 Vorgeladenen sind für die im Friedensvertrag garantierten Parlamentssitze vorgesehen.

Vernehmung der Opfer möglich

Zunächst sollen die Angeklagten am Freitag mit den Vorwürfen konfrontiert werden. "Nach dem ersten Gerichtstermin geben wir ihnen Zeit, sich vorzubereiten und rufen sie dann dazu auf, Stellung zu beziehen. Die Kammer erwägt zudem eine Vernehmung von Opfern", sagte Richterin Julieta Lemaitre.

In der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft wird zunächst ganz allgemein die Entführungsstrategie der Farc beschrieben, die ihren bewaffneten Kampf unter anderem mit der Erpressung von Lösegeldern finanzierten. "Es dürfte schwer werden, den Farc-Anführern die Verantwortlichkeit für einzelne Entführungen nachzuweisen", sagt Jura-Professor Ambos. Die Ermittler setzen wohl darauf, dass die Ex-Kommandanten ihre Taten einräumen, um Strafnachlass zu erhalten.

Maximal acht Jahre Haftstrafe

Die Sonderjustiz ist einer der wichtigsten Pfeiler des Friedensabkommens, mit dem die kolumbianische Regierung und die Farc Ende 2016 den jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit 220.000 Toten und Millionen Vertriebenen beilegten. Für geständige Täter wurden Höchststrafen von maximal acht Jahren vereinbart. Neben Gefängnisstrafen kann das Tribunal auch andere Sanktionen verhängen. Beispielsweise ist denkbar, dass die ehemaligen Farc-Chefs ihre Strafen in landwirtschaftlichen Kooperativen verbüßen.

Gerade wegen der relativ milden Strafen für die Drahtzieher schwerster Verbrechen ist der Friedensvertrag in Kolumbien sehr umstritten. "Wir werden die Opfer nie zufriedenstellen", räumt Strafrechtsexperte Ambos ein. (APA, 13.7.2018)