Sigmar Gabriel wird kein Freund von Donald Trump mehr. Nun warf der frühere deutsche Außenminister dem US-Präsidenten vor, einen "remige change" in Deutschland herbeiführen zu wollen. Statt mehr Geld für Verteidigung auszugeben, sollt Berlin Geld von den USA für die Versorgung von Flüchtlingen verlangen, die US-geführte Kriege produziert hätten, sagte er zudem.

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Washington – Nach dem Nato-Gipfel hat der deutsche Ex-Außenminister Sigmar Gabriel US-Präsident Donald Trump vorgeworfen, auf einen "Regimewechsel" in Deutschland abzuzielen. "Auf Amerika ist unter Trump kein Verlass. Er gibt dem nordkoreanischen Diktator eine Bestandsgarantie und will gleichzeitig in Deutschland einen Regimewechsel."

"Das können wir uns schwer bieten lassen", sagte der frühere SPD-Vorsitzende dem Magazin "Der Spiegel". Näher äußerte er sich in dem Interview nicht dazu. Trump hatte die Verbündeten beim Nato-Gipfel in Brüssel mit Druck und Drohungen massiv bedrängt, rasch mehr in Verteidigung zu investieren und das Nato-Ausgabenziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erfüllen. Deutschland stand besonders im Visier, weil derzeit nur 1,24 Prozent erreicht werden und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch bis 2024 nur 1,5 Prozent in Aussicht gestellt hat. Zudem hatte sich Trump wenig später in die Innenpolitik eines anderen Verbündeten eingemischt und deutlich gemacht, dass er die Entscheidung seiner britischen Gastgeberin Theresa May für eine gütliche Trennung von der EU nicht gutheiße.

"Mache mein eigenes Ding"

Trump hatte den Gipfel am Donnerstag an den Rand des Scheiterns gebracht. Nach Angaben von Diplomaten drohte er hinter verschlossenen Türen, entweder werde das Zwei-Prozent-Ziel von allen Bündnispartnern 2019 erreicht oder er mache "sein eigenes Ding". Die Bündnispartner hatten 2014 vereinbart, die Militärausgaben bis 2024 in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bestätigte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "maybrit illner", dass ein solcher Satz Trumps gefallen sei. Unter dem Strich, so die CDU-Politikerin in den ARD-"Tagesthemen", bewerte sie das Treffen aber als erfolgreich. Sie verwies unter anderem auf das Bekenntnis der Mitgliedstaaten zur Nato und ihren Werten. Die auf dem Gipfel einberufene Sondersitzung sei im Rückblick "eine Sternstunde der Nato" gewesen.

Was genau Trumps Satz bedeuten sollte, etwa Truppenreduzierungen oder gar einen völligen Bruch mit der Nato, hatte der US-Präsident bei dem Nato-Treffen offen gelassen. Er beantwortete dies auch später nicht, sondern sagte nur, die Partner "waren wohl beunruhigt".

Grüne: Deutschland erpressbar

Nach Ansicht des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen, Anton Hofreiter, hat Merkel sich gegenüber den USA erpressbar gemacht, indem sie in Brüssel Zugeständnisse in Aussicht stellte.

"Nun muss sich die Bundesregierung immer und immer wieder von einem außer Kontrolle geratenen US-Präsidenten ans Schienbein treten lassen, der mit seinen maßlosen Drohungen und Wutausbrüchen kaum mehr ernst zu nehmen ist", sagte Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.

Gabriel: USA soll Deutschland für Flüchtlinge kompensieren

Gabriel mahnte ein stärkeres Auftreten gegenüber Trump an. "Wir dürfen uns keine Illusionen mehr machen. Donald Trump kennt nur Stärke. Dann müssen wir ihm zeigen, dass wir stark sind." Die Wahrheit sei: "Wir können nicht mit Trump und nicht ohne die USA. Wir brauchen deshalb eine Doppelstrategie: klare, harte und vor allem gemeinsame europäische Antworten an Trump. Jeder Versuch, ihm entgegen zu kommen, jede Anbiederung führt nur dazu, dass er noch einen Schritt weiter geht. Damit muss Schluss sein."

Gabriel nannte ein Beispiel für ein Signal der Stärke an Trump: "Wenn er von uns Milliarden zurückfordert für die Militärausgaben der USA, dann müssen wir von ihm Milliarden zurückfordern, die wir für die Flüchtlinge ausgeben müssen, die gescheiterte US-Militärinterventionen zum Beispiel im Irak produziert haben."

Kritik von Republikanern

Die Angriffe von US-Präsident Donald Trump auf Deutschland und andere europäische Nato-Verbündete stoßen auch in seiner eigenen Partei auf Kritik. "Das Bündnis, das 70 Jahre lang den Frieden bewahrt hat, wird ausgefranst", sagte der republikanische Gouverneur des US-Staats Ohio, John Kasich, am Donnerstag (Ortszeit) vor Journalisten in Washington.

Er warnte die US-Regierung vor einer "Strategie der Abrissbirne". Mit Blick auf die Verbündeten fügte Kasich hinzu: "Es gibt wachsende Uneinigkeit, ein wachsendes Gefühl von Vertrauensmangel, ein wachsendes Gefühl, ob wir uns in bestimmten Momenten auf die Vereinigten Staaten verlassen können." (APA, 13.7.2018)