Die Durchführung großer humanitärer Aktionen in der Balkanpolitik Österreich-Ungarns gehört zu den wenig erforschten Themen der Geschichte der Monarchie. Obwohl die von Albanern bewohnten Gebiete im Osmanischen Reich von der Diplomatie des Ballhausplatzes seit Jahrzehnten gefördert worden waren, stellte die Organisation humanitärer Hilfsaktionen in großem Stil etwas Neues in der Außenpolitik Wiens dar. Ausgelöst wurde dieser Wandel von den Balkankriegen 1912/13: Die Zukunft Albaniens, damals osmanische Provinz, war angesichts des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches fraglich. Die Ausrufung eines albanischen Staates am 28. November 1912 stellte keine Garantie für ein politisches Überleben dar.

Aus völkerrechtlicher Sicht konnte der Ballhausplatz nicht mehr wie gewohnt albanische Organisationen, Gruppen und Personen mit regelmäßigen Subventionen unterstützen. Überdies erwies sich die praktische Fortzahlung der Zuschüsse an Ort und Stelle unter Kriegsverhältnissen ebenso als nicht durchsetzbar. Im südwestlichen Balkan hatte der Krieg eine humanitäre Katastrophe hervorgerufen. Zahlreiche Albaner flohen vor serbischen und montenegrinischen Truppen aus Mazedonien und Kosovo über die Berge in den eben gegründeten albanischen Staat. Die Mehrheit der Flüchtlinge floh in Richtung Adria, wo sie das Ende der Kampfhandlungen abwarten wollte. Doch auch das Gebiet des heutigen Albanien war von den Balkankriegen nicht verschont worden. Die Verluste an Leben und Gütern waren auch hier hoch. Der Krieg und die Flüchtlingsfrage schufen eine humanitäre Katastrophenlage.

Die Skutari-Aktion

Die internationale öffentliche Meinung wurde über die Lage der Balkanvölker durch Kriegsberichterstatter gut informiert. Im Fall Albaniens reagierte das lesende Publikum Österreich-Ungarns auf die Nachrichten seit Spätherbst 1912 mit zunehmender Besorgnis. Die Vertreter des politischen Journalismus warfen die Frage einer humanitären Hilfeleistung für die notleidende albanische Bevölkerung immer häufiger auf. Die Kriegsereignisse und die inneren Konflikte der Großmächte ermöglichten es aber Wien nicht, sich mit dieser Frage vertieft zu befassen. Erst während der Londoner Konferenz, die einen Frieden herbeiführen sollte, eröffnete sich für das Außenministerium Österreich-Ungarns im Frühjahr 1913 eine Gelegenheit zu einer humanitären Aktion auf dem südwestlichen Balkan. Wegen des Widerstands der Regierungen von Griechenland, Montenegro und Serbien konnte eine solche Aktion nur auf dem Gebiet des heutigen Albanien umgesetzt werden, aber nicht für die albanische Bevölkerung, die in Gebieten lebte, die von den Balkanstaaten erobert worden waren. Die 1913 durchgeführte Skutari-Aktion war die größte humanitäre Aktion der späten Donaumonarchie.

Interventionen

Skutari (albanisch Shkodra) gehörte zu den größten Festungen des Osmanischen Reiches auf dem Balkan. Nach einer siebenmonatigen Belagerung durch montenegrinische und serbische Truppen fiel Shkodra am 24. April 1913. Die humanitäre Notlage der albanischen Zivilbevölkerung war so groß, dass die Großmächte entschieden, eine gemeinsame Militärintervention durchzuführen. Matrosentruppen von Österreich-Ungarn, Italien, Deutschland, Großbritannien und Frankreich marschierten Anfang Mai 1913 in die Stadt ein. Die Stadtadministration kam unter die Militärverwaltung der Großmächte, die von drei Admiralen (Admiralsrat) geleitet wurde.

Als die militärische Intervention der Großmächte begann, traf man am Ballhausplatz die Entscheidung, eine humanitäre Hilfsaktion zusammen mit Italien für die Shkodraner zu starten. Ziel war es, die notleidende Bevölkerung mit Lebensmitteln und Sanitärausrüstung zu versorgen. Die Hilfsaktion bedeutete eine Prestigefrage für den gemeinsamen Außenminister Leopold Berchtold, da Shkodra das Zentrum des österreichisch-ungarischen Kultusprotektorats (Schutz für die katholische Bevölkerung durch die diplomatischen Vertreter der Monarchie) war, das heißt die wichtigste Region für die Durchsetzung österreichisch-ungarischer Interessen.

Ein Leutnant in Albanien

Mit der persönlichen Unterstützung von Kaiser und König Franz Joseph und unter Führung des Ballhausplatzes wurden Hilfsgüter von der k. u. k. Kriegsmarine nach Albanien transportiert. Mit der Abwicklung der Aktion wurde Leutnant Elias Duschan Zsivkovics von Torontál-Sziget (Ilija Živković) betraut – ein Offizier serbischer Herkunft und ungarischer Staatsbürgerschaft. Laut seiner Qualifikationsliste war Leutnant Zsivkovics ein tüchtiger Offizier, der mehrere Fremdsprachen beherrschte und der zu seinen Untergebenen besonders gute Beziehungen pflegte. Während der Zeit der Aktion leistete er seinen Dienst im Infanterie-Regiment 32.

Nach der erfolgreichen Abwicklung der Hilfsaktion Österreich-Ungarns blieb Leutnant Zsivkovics in Shkodra, wo er unter anderem für die öffentliche Sicherheit jener Viertel verantwortlich war, die unter k. u. k. Kontrolle standen. Der Leutnant wollte im Juni 1914 die Untätigkeit und Ziellosigkeit der albanischen Jugendlichen nicht mehr hinnehmen. Da es kein funktionierendes Schulsystem gab, organisierte er Sportveranstaltungen. Mit der Zustimmung des Generalstabs der lokalen k. u. k. Truppen versammelte er junge Albaner zwischen 14 und 20 und brachte ihnen die modernen Sportarten Europas bei. Zsivkovics, der laut seiner Qualifikationsliste ein leidenschaftlicher Sportanhänger war, lehrte vor allem die Regeln des Fußballspiels. Nach einigen Tagen gelang es ihm, die ersten österreichisch-ungarisch-albanischen Mannschaften und somit die ersten Fußballmatches in Albanien zu organisieren.

Das erste Fußballturnier

Die Nachrichten über die Fußballspiele in dem österreichisch-ungarischen Stadtviertel verbreiteten sich in der Stadt schnell. Die britischen Offiziere fühlten sich beleidigt, dass die Idee, den jungen Albanern Fußball beizubringen, nicht von ihnen stammte. Sie vergaßen aber ihre Gekränktheit rasch und bildeten im Handumdrehen eigene Fußballspieler aus. Die französischen, italienischen und deutschen Offiziere folgten dem britischen Beispiel, und so begannen die österreichisch-ungarisch-albanischen, die britisch-albanischen, die französisch-albanischen, die italienisch-albanischen und die deutsch-albanischen Mannschaften kurz vor dem Ersten Weltkrieg Freundschaftsspiele gegeneinander zu spielen. Die verschiedenen Mannschaften symbolisierten die zeitgenössischen Großmächte und die Matches die Rivalität unter ihnen. Leider gibt es keine Informationen darüber, welche Mannschaft die erste Meisterschaft von Shkodra gewonnen hat.

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg forderten sich die Offiziere in Freundschaftsspielen heraus (Symbolfoto).
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Misserfolge

Die humanitären Aktionen Österreich-Ungarns waren vor allem eine Reaktion auf die diplomatischen Misserfolge, die die Monarchie auf der Londoner Konferenz (1912–1913) erlitten hatte. Wien, das sich als größter Protektor der Albaner betrachtete, war in der britischen Hauptstadt nicht in der Lage gewesen, die für Albanien ungünstige Grenzziehung zu verhindern. Der Ballhausplatz hatte sich ebenso als unfähig erwiesen, die Interventionen der Großmächte zu beschleunigen, um dem Krieg an der Adriaküste ein Ende zu machen. Die humanitären Aktionen Österreich-Ungarns, die für die Versorgung der Albaner organisiert wurden, hatten auch eine innenpolitische Dimension, sollten sie doch gegenüber der öffentlichen Meinung der Monarchie die schwere diplomatische Niederlage "annehmbarer" machen. (Krisztián Csaplár-Degovics, 16.7.2018)