Dass das eigene Netzwerk im US-Wahlkampf und auch zu anderen politischen Debatten als Schleuder und Katalysator für Falschmeldungen benutzt wurde, ist den Verantwortlichen bei Facebook ein Dorn im Auge. Schon länger verspricht man Maßnahmen gegen "Fake News" zu setzen.

Doch, so zeigte sich nun bei einem Pressetermin für US-Medien, der Gigant mit seinen zwei Milliarden Nutzern ist nach wie vor nicht fähig, mit diesem Phänomen umzugehen. Man hatte Journalisten eingeladen, um Werbung für die eigenen Bemühungen zu machen. Das ging gründlich schief.

Widersprüchliches Vorgehen

In einem Video namens "Facing Facts" zeigte man, welche Ressourcen man aufwendet und wollte veranschaulichen, wie schwer der Umgang mit Wahrheit, Lüge und allem dazwischen ist. Ein Datenwissenschaftler präsentierte in dem Clip ein Quadrantensystem zur Einteilung von Meldungen in vier Kategorien: Richtige Information, falsche Information, Hoaxes und Propaganda.

Als News Feed-Chef John Hegeman sich schließlich einer Frage-Antwort-Runde stellte, bekam die schöne Fassade aus tiefgreifenden Bemühungen allerdings gewaltige Risse. CNN-Journalist Oliver Darcy wollte wissen, wie ein Netzwerk glaubwürdig den Kampf gegen Falschmeldungen versprechen will, wenn es gleichzeitig Auftritte wie jenen von Infowars auf seiner Plattform zulässt.

BenBam

Amerikas oberster Verschwörungstheoretiker

Infowars ist eine Website und Videochannel des berüchtigten Verschwörungstheoretikers Alex Jones. Es gibt kaum eine abstruse Theorie, die dort keinen Platz findet. Ex-US-Präsident Barack Obama unterstellte er, mit dem IS zusammen zu arbeiten, der Weltraumagentur Nasa, eine Sklavenkolonie am Mars zu betreiben. Den Amoklauf an der Sandy Hook Highschool hält er für inszeniert und zuletzt warnte er vor einem von den Demokraten angezettelten Bürgerkrieg, der just am Nationalfeiertag am 4. Juli beginnen sollte, was natürlich nicht eintrat. Auf Facebook hat Infowars über 900.000 Abonnenten.

Die Antwort von Hegeman fällt im Lichte der Anstrengungen gegen Fake News verwunderlich aus. "Natürlich entfernen wir Inhalte, die zu Gewalt aufrufen oder Hassrede sind. Doch ich glaube, Falsches zu berichten verstößt nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien. Eine fundamentale Sache ist, dass wir Facebook als Ort gestaltet haben, an dem unterschiedliche Leute eine Stimme haben. Und verschiedene Schreiber haben verschiedene Ansichten."

Angst vor politischem Bias

Sara Su, eine Spezialistin aus dem Newsfeed-Team, versuchte tu beschwichtigen. Verschwörungstheorien könnten wirklich problematisch sein und auch sie selbst sei nicht glücklich mit der Situation. Den offensichtlichen Widerspruch konnte aber auch sie nicht auflösen.

Facebook versucht, mit allen Mitteln eine politisch "neutrale" Position zu liefern. Dementsprechend kann Infowars dort weiter aktiv sein, auch wenn offenkundige Lügen verbreitet werden. Alex Jones ist erklärter Unterstützer von Donald Trump, der auch schon bei ihm in der Sendung zu Gast war. Ein Berater des Präsidenten taucht nach wie vor regelmäßig in den Sendungen auf.

Geldmaschine Infowars

Seiten wie Infowars nutzen die Situation aus und weiß, wie man die Regeln weit genug dehnen kann, argumentiert man bei Buzzfeed. Beispielsweise indem man sich bei der Behauptung zu Sandy Hook auf "Experten" beruft, statt sie selber aufzustellen. Solche Plattformen würden die Gemeinschaftsrichtlinien unterwandern, ohne sie offensichtlich zu brechen und habe auch kein Interesse daran, zu Informationssicherheit beizutragen.

Verschwörungstheorien sind das Geschäft von Alex Jones. Seine Seite verzeichnet mehrere Millionen Besucher im Monat, auch seine Radioshow ist populär. Geld verdient er unter anderem durch Werbung und den Verkauf von Produkten seiner Werbepartner, darunter Survival-Werkzeug und auch allerlei Vitamin- und Nährstoffpräparate. Alleine der Shop hat Jones nach eigenen Angaben in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 18 Millionen Dollar eingebracht, deutlich mehr als die Seite selbst.

Facebook: Infowars ist "Meinung oder Analyse"

Facebook will nur Nachrichten löschen, die "zweifelsfrei falsch" sind. Inhalte "von rechts oder links", die dort als "Meinung oder Analyse" angesehen werden, zu sperren, würde dem Prinzip der Meinungsfreiheit widersprechen, so das Unternehmen in einer Reaktion auf den CNN-Artikel. Durch die Abwertung im Algorithmus würden Postings, die von Factcheckern gemeldet werden, 80 Prozent ihrer künftigen Aufrufe verlieren. Der Effekt dessen könnte freilich überschaubar sein, sammeln neue Postings doch in der Regel vor allem in den ersten Tagen die meisten Aufrufe. (gpi, 13.07.2018)