Emmerich Kálmáns "Gräfin Mariza" bei den Seefestspielen Mörbisch.

Foto: Jerzy Bin

Mörbisch am See – "Schreiben Sie über die Operette positiv", bat Neo-Intendant Peter Edelmann die Medienvertreter bei der Premiere von Emmerich Kálmáns "Gräfin Mariza", der ersten von ihm verantworteten Produktion bei den Seefestspielen Mörbisch. Aber gerne doch!

Die vielfach totgesagte und doch nicht totzukriegende Gattung hat nicht nur das Potenzial zum Schwelgen und Träumen (das Edelmann zu Recht hervorstrich), sondern hielt zu ihrer Zeit auch der strudelnden Gesellschaft einen schonungslosen Spiegel vor, der sich ohne weiteres ein wenig drehen ließe, um von neuem die Irritation neben die Verzauberung sichtbar werden zu lassen: 1924, als das Stück uraufgeführt wurde, stand nicht weniger als das soziale Gesamtgefüge zur Disposition. Selbstverständliches war außer Kraft gesetzt, die wirtschaftliche Krise führte zu in Frage gestellten Identitäten – aufwühlende Themen, die dem damaligen Publikum allem Eskapismus zum Trotz nicht verborgen bleiben konnten.

In Mörbisch 2018 bleibt davon unter reger Teilnahme der Politik und regionaler Gesellschaftsgrößen genau nichts übrig, die Operette verkommt zur verhübschten Zerstreuung, unter deren Diktat selbst ihr leichter Esprit schwerfällig und fahl wird. Gut: Bühnenbildner Manfred Waba hat einen riesigen Geigenkorpus auf den Neusiedler See verfrachtet, der sich für eine opulente Szenerie öffnet. Der geigende "Zigeuner" wird zum omnipräsenten Begleiter der Handlung.

Unglaublich schale Produktion

Reflektiert oder ironisiert wird dieses Traumbild einer besseren Welt jedoch nicht. Stattdessen tut man in dem, was Karl Absenger geschaffen hat und was man nur zögerlich Inszenierung nenne kann, so, als wäre die naive Projektion schlicht zur Realität zu erheben. Das macht die Produktion unglaublich schal – sie verlogen zu nennen, würde ein Bewusstsein der Problematik voraussetzen, das sich nicht erkennen lässt. Spürbar wird sie auf Schritt und Tritt.

Da können sich Vida Miknevičiūtė in der Titelpartie und der ergreifend melancholische Roman Payer als Tassilo noch so sehr in ihr Liebes(un)glück versenken – sobald es an die Dialoge und damit ans Eingemachte geht, fehlt es an allem: am Timing, an auch nur in Ansätzen plausibler Bühnenpräsenz und anscheinend überhaupt am Glauben, dass hier irgendetwas etwas thematisiert wird, was über den schönen Schein hinausgeht.

Schmiss und viel Delikatesse

Insofern war das finale Feuerwerk (und die musikalische Endlosschleife nach dem Ende mit den tragischen und schwelgerischen Melodien) noch das Ehrlichste an diesem ratlosen Unterfangen – abgesehen davon, dass das Festivalorchester mit Guido Mancusi ungewohnt differenziert, mit Schmiss und viel Delikatesse aus der nicht gerade idealen Tonanlage erscholl.

Ein leichtes Unbehagen mag in dem anklingen, was der Dirigent im Programmheft äußert, während der Regisseur dort außer der Inhaltsangabe nichts Weiteres mitzuteilen hatte: "Damals waren diese Stücke sehr kritisch und modern komponiert, und dort muss man auch heute ansetzen, wenn man den Zuschauer erreichen will." Diesen Anspruch verfehlt das, was auf der Bühne geschieht, so präzise, als hätte man genau das bezwecken wollen. (Daniel Ender, 13.7.2018)