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Jean-Claude Juncker beim Treffen der Nato. Wegen eines schweren Autounfalls leidet der EU-Kommissionschef an einem Rückenleiden, das ist nach Auskunft seines Büros auch der Grund dafür, wieso ihm Kollegen auf ein Podium helfen mussten.

Foto: AP

Brüssel – Ein Video, das Jean-Claude Juncker beim Galaempfang des Nato-Gipfels Mittwochabend in Brüssel mit schweren Gehproblemen zeigt, sorgt in sozialen Medien für wilde Gerüchte über den Gesundheitszustand des EU-Kommissionspräsidenten. Ein Ausschnitt daraus zeigt, wie er beim Familienfoto mit den anderen Staats- und Regierungschef im Parc du Cinquantenaire zunächst Schwierigkeiten hat, auf das Podium zu steigen.

Einige seiner Kollegen helfen ihm dann hinauf. Juncker wird dann unter anderem vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und vom niederländischen Premier Mark Rutte gestützt. Beim gemeinsamen Spaziergang zum Abendessen strauchelt der Kommissionschef beim Gehen. Die Bilder haben – wie schon im EU-Wahlkampf 2014 vonseiten der EU-Skeptiker – Vermutungen angefeuert, Juncker sei betrunken gewesen, nicht ganz Herr seiner Sinne.

Vilimsky: Juncker mache gesamte EU zur Lachnummer" ...

FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordneter Harald Vilimsky griff Juncker gar via Presseaussendung frontal an. "Torkelnder Juncker soll raschen den Hut nehmen!" ist der Titel des Textes, in dem von "einer Reihe von offensichtlichen Alkoholproblemen" die Rede ist. Juncker mache "die gesamte EU zur Lachnummer". Weil ihm, Vilimsky, "das Friedensprojekt" EU besonders "am Herzen liege", halte er einen Rücktritt Junckers umso mehr für angebracht.

... Leichtfried fordert deshalb Vilimskys Rücktritt

SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried erinnerte in einer Reaktion daran, dass es ausgerechnet die rechte Fraktion ENF, der die FPÖ angehört, gewesen sei, "die 500.000 Euro öffentliches Steuergeld" zurückzahlen müsse, weil sie um diesen Betrag Champagner und Luxus-Essen bestellt habe. Die Aussendung, mit der Vilimsky sich über eine Erkrankung Junckers lustig mache, bezeichnete Leichtfried als "unglaubliche Entgleisung". "Jemand wie Vilimsky darf auch aus Sicht der Regierung nicht länger in seiner Position sein", so Leichtfried, der den Rücktritt des freiheitlichen EU-Abgeordneten fordert.

Ein Video, das zeigt, wie Kommissionschef Jean-Claude Juncker gestützt wird, sorgt für wilde Spekulationen und hämische Kommentare.
Associated Press

Der Kommissionspräsident wollte diesen Interpretationen am Freitag in einer Erklärung entgegentreten. Wie DER STANDARD erfuhr, hatte Juncker "am Mittwoch eine sehr schmerzhafte Ischiasattacke, die erhebliche Schmerzen und Probleme beim Gehen bereitet hat". Er habe "vor Schmerzen kaum gehen und stehen können", wollte aber an dem "Familienfoto" mit den Nato-Regierungschefs teilnehmen. Was in dem viral verbreiteten Video nicht zu sehen ist, ist, dass Juncker an diesem Abend im Rollstuhl gefahren wurde.

Offiziell hieß es von der Kommission auf die Frage, ob Juncker betrunken war, es sei "mehr als geschmacklos", die Schmerzen Junckers ausnützen zu wollen. Dies wäre weder elegant noch fair.

Tags darauf, am zweiten Tag des Nato-Gipfels im Brüsseler Hauptquartier, hat der Präsident übrigens normal teilnehmen können.

Folgen von schwerem Autounfall

Probleme Junckers mit seinem linken Bein und Bewegungsprobleme sind an sich keine Neuigkeit. Sie sind Folgewirkungen eines schweren Autounfalls im Oktober 1989. Er war damals Finanzminister in Luxemburg und war wochenlang im Koma gelegen, hatte mit schwersten Verletzungen knapp überlebt. "Die haben damals geglaubt, dass ich sterbe", erzählte der Kommissionspräsident dem STANDARD. Sein damaliger Premierminister Jacques Santer sei an seinem Krankenbett gesessen und habe ihm die Hand gehalten.

Einen ähnlichen Vorfall wie beim Nato-Treffen hatte es bei einem Irland-Besuch vor kurzem gegeben. Juncker konnte bei einer Podiumsdiskussion nicht eine große Stufe hochsteigen. Auch dort wurde gemutmaßt, dass er betrunken gewesen sei. Juncker beantwortete Reporterfragen nach seinen Schmerzen damals mit dem ihm eigenen Galgenhumor: "Glauben Sie mir, ich wäre lieber betrunken." (Thomas Mayer aus Brüssel, 13.7.2018)