Wien – Das Finanzministerium hat laut Rechnungshof (RH) jahrelang bessere Kontrollen zu "Cum-Ex"-Geschäften verabsäumt, bei denen womöglich zu Unrecht Steuerrückzahlungen zur KESt auf Dividenden kassiert wurden. Die seit spätestens 2007 als unzureichend erkannte Personalausstattung des zuständigen Finanzamts sei über Jahre hinweg nicht verbessert worden, Lösungsvorschläge seien nicht umgesetzt worden.

Erst 2016 habe das Ministerium ein eigenes Team für diverse Sonderzuständigkeiten eingerichtet – auch für die Kapitalertragsteuer-Erstattungsanträge. Dennoch sei eine risikoadäquate Personalausstattung auf Basis einer Personalbedarfserhebung noch immer nicht gegeben gewesen, kritisierte der RH in einem am Freitag veröffentlichten Bericht.

Neues Erstattungsverfahren empfohlen

Der RH empfiehlt, möglichst rasch für ein transparentes KESt-Erstattungsverfahren in moderner und ausreichender IT-Unterstützung zu sorgen, eine risikoorientierte Fallauswahl sicherzustellen, klare gesetzliche Regelungen herzustellen und konkrete Anforderungen an die beizubringenden Nachweise für KESt-Erstattungen festzulegen, die ausreichende Sicherheit für eine antragsgemäße Erledigung bieten. Weiters wären auch Best-Practise-Modelle in anderen Staaten zu identifizieren.

Das Ministerium wies laut RH in seiner Stellungnahme darauf hin, dass – im Gegensatz zur früheren Rechtslage in Deutschland – die Rechtslage in Österreich eine mehrfache Erstattung derselben Kapitalertragsteuer (KESt) unbestrittenerweise nicht zulasse. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung sollte daher primär das Kapitalertragsteuer-Abzugssystem so anpassen, dass die Nachweisführung verbessert und dadurch eine mehrfache Erstattung möglichst vollständig ausgeschlossen werden könne.

Von Grünen initiiert

Unter die Lupe genommen wurden die KESt-Erstattungsverfahren bei Aktiengeschäften vom RH per Sonderprüfung, die von Grün-Abgeordneten initiiert wurde. Im Juni 2017 hatte Abg. Bruno Rossmann (damals Grüne, jetzt Liste Pilz) die Vermutung geäußert, dass der Schaden in Österreich "im dreistelligen Millionennbereich" liegen könne. Für Deutschland war wiederholt von über 30 Milliarden Euro die Rede, auch zuletzt im "Handelsblatt".

Die RH-Berechnungen ergaben – entgegen den Pressemeldungen des Ministeriums -, dass bei den Cum-Ex-Geschäften für die Republik Österreich tatsächlich ein Schaden entstanden war. Am Beispiel einer ausgewählten heimischen Aktiengesellschaft habe dieser für das Dividendenausschüttungsjahr 2012 zumindest 1,78 Millionen Euro betragen. Anhand von Vergleichsrechnungen zu zwei heimischen Aktiengesellschaften stellte der RH nach eigenen Angaben außerdem fest, dass von 2010 bis 2012 ein weiterer Schaden in Höhe von 5,92 Millionen Euro entstanden sein könnte. Die 1,78 Millionen bzw. 5,92 Millionen Euro seien jedoch vorläufige Werte, weil Fälle wieder aufgerollt und Erstattungen rückgefordert oder aufgerechnet würden.

Höchste Rückzahlungen in die Arabischen Emirate

Von 2001 bis 2016 seien fast 1,099 Milliarden Euro Kapitalertragsteuer (KESt) nach Dividendenzahlungen österreichischer Aktiengesellschaften an ausländische Antragsteller ausbezahlt worden, so der RH. Mehr als ein Viertel davon entfiel mit rund 280 Millionen Euro auf das Jahr 2012. Die höchsten Rückzahlungen – mehr als ein Fünftel – erfolgten mit 245 Millionen Euro in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Der RH führt das vor allem auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit den VAE zurück, das eine vollumfängliche Erstattung vorsehe, während die meisten anderen Doppelbesteuerungsabkommen nur eine Erstattung von zehn Prozent der Kapitalerträge vorsehen. In die USA wurden 149 Millionen Euro, nach Großbritannien 119 Millionen Euro und nach Deutschland 93 Millionen Euro ausbezahlt.

Ungerechtfertigte Erstattungen im Umfang von rund 38,35 Millionen Euro seien nicht anerkannt worden, somit habe zusätzlicher Schaden durch das zuständige Finanzamt verhindert werden können, so der RH weiter.

Risiken waren bekannt

Zu den Rückforderungen von zu Unrecht ausgezahlten Erstattungen sowie zu Aufrechnungen gibt der RH zu bedenken, dass es Rechtsunsicherheit gegeben habe hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und damit der Einbringlichkeit – in Fällen, bei denen das zuständige Finanzamt zuvor keine stattgebenden Bescheide erlassen habe. Darüber hinaus sei "die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung auf fremdem Staatsgebiet sehr gering", "besonders bei jenen Staaten, mit denen Österreich keine Vollstreckungsamtshilfe vereinbart hatte".

Viele Risiken, die zu Mehrfacherstattungen und in der weiteren Folge aus zu potenziellem Schaden führen konnten, seien dem Finanzministerium seit 2006 bekannt gewesen. In mehreren Projekten, Berichten und Arbeitssitzungen hätten das zuständige Finanzamt sowie Experten des Ministeriums auf die Probleme hingewiesen, so der RH. Das Finanzministerium habe die Lösungsvorschläge für Verfahrensvereinfachungen und -unterstützungen aber nicht umgesetzt – laut Ministerium aufgrund begrenzter Personal- und IT-Ressourcen. (APA, 13.7.2018)