Hardegg wird auf dem Land manchmal mit Graf angesprochen, er selbst würde sich nicht so nennen.

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Mit einer Ackerfläche von 2300 Hektar, 300.000 produzierten Flaschen Wein pro Jahr und tausend Muttersauen zählt Maximilian Hardegg zu den größten Landwirten Österreichs. Der 52-Jährige lebt mit seiner Familie im Schloss Seefeld im nördlichen Weinviertel. Beruflich ist der Landwirt oft in Wien unterwegs und radelt zu seinen Terminen. Zum Interview mit dem STANDARD erschien er im Anzug und mit Helm unter dem Arm.

STANDARD: Sie wohnen in Niederösterreich, sind aber in Wien mit dem Fahrrad unterwegs?

Hardegg: Ich habe den Luxus, zu Hause Mitarbeiter und Betriebsleiter für jeden Zweig zu haben. Das ermöglicht es mir, mich nicht nur um tägliche Abläufe zu kümmern, sondern auch um das Umfeld des Betriebes. Die Landwirtschaft ist auch ein politisch gesteuerter Sektor. Deshalb ist es wichtig, dass die Stakeholder in Wien Bescheid wissen, was wir tun. Ich würde als Unternehmer einen Fehler machen, wenn ich ausschließlich zu Hause Kartoffeln hinterherbuddeln würde.

STANDARD: Wie viel Zeit verbringen Sie noch im Stall oder auf dem Acker?

Hardegg: Das ist ganz unterschiedlich. Ich schaue, dass ich mich regelmäßig über die Betriebsabläufe informiere und jeden Tag in den Stall oder auf den Acker rauskomme, wenn ich da bin. Das ist das Faszinierende, wenn man in der Natur arbeitet: Man muss sich nicht nur um Zahlen kümmern, sondern kann mit den Jahresabläufen leben. Es ist eine vielschichtige unternehmerische Betätigung, das macht den Beruf unglaublich interessant.

STANDARD: Sie haben blaues Blut und haben einen riesigen Betrieb geerbt. War das je eine Belastung?

Hardegg: Ich würde es eher als Verantwortung sehen, von der ich wusste, dass sie auf mich zukommt. Ich habe auch andere Interessen, außer Landwirt zu sein. Aber das Schöne ist, dass ich diese Verantwortung habe, die meine Leidenschaft ist – und meine Interessen trotzdem behalten kann.

Hardeggs Krawatte zeugt von seiner Leidenschaft: Golf
Foto: Andy Urban

STANDARD: Zum Beispiel?

Hardegg: Ich mache sehr gerne Sport, spiele gerne Golf.

STANDARD: Deshalb die Krawatte?

Hardegg: Ja, genau. Früher war Tennis meine Leidenschaft, heute ist es Golf. Ich bin sehr geschichtlich und politisch interessiert. Das sind meine großen Interessen.

STANDARD: War es von Anfang an klar, dass Sie die Landwirtschaft übernehmen werden?

Hardegg: Ja, eigentlich schon. Meine Ausbildung und auch mein beruflicher Werdegang sind in die Richtung gegangen, dass ich den Betrieb übernehme.

STANDARD: Die von Ihnen bewirtschaftete Fläche ist größer als einige Länder dieser Welt. Welche Rolle nimmt da Bescheidenheit ein?

Hardegg: Bescheidenheit ist, glaube ich, ganz wichtig. Als Landwirt werden einem jeden Tag Grenzen aufgezeigt. Vor ein paar Jahren hatten wir vor einer Weinlese zum Beispiel massiven Hagel, die gesamte Weinlese war innerhalb einer Stunde vernichtet. Da muss man damit fertig werden, dass eine ganze Jahresarbeit weg ist.

STANDARD: Welcher Ihrer drei Bereiche – Schweinezucht, Weinbau, Ackerbau – ist am lukrativsten?

Hardegg: Die drei Bereiche ergänzen sich gut, ich betreibe eine Art Kreislaufwirtschaft. Ein Teil der Ernteprodukte – Getreide, Sojabohne und Mais – wird als Futter im Stall verwendet. Der Wirtschaftsdünger von den Schweinen geht in die Landwirtschaft zurück. Die Bereiche ergänzen sich gut. Der Weinbau fährt ein etwas eigenes Programm. Mit ihm komme ich direkt an die Endkonsumenten heran, und er bewegt sich eher im hochpreisigen Segment. So gesehen haben alle drei Bereiche ihre Existenzberechtigung.

STANDARD: Ihr Wein wird unter dem Namen "Graf Hardegg" vermarktet. Werden Sie so angesprochen?

Hardegg: Auf dem Land ja, aus Tradition. Ich selber nenne mich natürlich nicht so. Ich wollte einfach auf die Tradition des Betriebes Rücksicht nehmen. Ich merke, dass viele meiner Kunden sehr geschichtsaffin sind, der heimischen Geschichte positiv gegenüberstehen. Wir als Weingut wollen diese Tradition widerspiegeln.

STANDARD: Sie halten rund tausend Muttersauen. Schlachten Sie auch selbst?

Hardegg: Nein. Meine Aufgabe ist es, besonders hochwertige Sauen für Landwirte züchten. Ich verkaufe Jungsauen, also junge Muttertiere, an österreichische Bauern und halte dabei ungefähr einen Marktanteil von zehn Prozent.

Seine Schweine kennt Hardegg nicht beim Namen. Weil sie keine Namen haben.
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STANDARD: Die Schweine haben also keine Namen?

Hardegg: (lacht) Die Schweine haben bei uns insofern keine Namen, weil sie sich keiner merken würde. Über unser System der tierartgerechten Nutztierhaltung können wir aber für jedes Tier eine kleine Einzelbiografie anlegen. Ich weiß genau über das Tierverhalten Bescheid, weiß, ob es gegessen hat und ob es ihm gut geht.

STANDARD: Sie haben wiederholt gesagt, dass Landwirte zu Unternehmern werden müssen. Ist das schon passiert?

Hardegg: Ich glaube nicht, da ist noch viel Arbeit nötig. Der klassische Bauer denkt heute noch sehr pauschal – ich habe Stall, Feld und ein bisschen Direktvermarktung. Ihn interessiert, was am Ende des Tages als Familieneinkommen übrig bleibt – geht es sich aus oder nicht? Wenn man unternehmerisch denkt, muss man sich fragen: Was bringt der Stall? Was bringt die Direktvermarktung? Was der Acker? So hat man für jeden einzelnen Betriebszweig Zahlen und kann sehen: Wo geht es gut, wo geht es schlecht? Die Schwächen versuche ich abzustellen, die Stärken versuche ich zu erhalten.

STANDARD: Wie können die kleinen Betriebe da überleben?

Hardegg: Der kleine Familienbetrieb hat einen riesigen Vorteil: In den meisten Fällen kommt er ohne Fremdarbeitskräfte aus. Er hat nicht die Problematik mit dem Zwölfstundentag oder Überstunden – die machen das selber. Der Nachteil ist natürlich, dass wenn sie nachrechnen, wie viel am Jahresende übrig bleibt, ein Stundenlohn herauskommt, der sich in keinem Kollektivvertrag wiederfindet, weil er so niedrig ist.

STANDARD: Was müsste sich ändern?

Hardegg: Landwirtschaftliche Maschinen sind zum Beispiel ein großes Problem. Jeder Bauer hat einen Traktor. Bei mir im Betrieb versuchen wir, die Maschinen sehr gut auszulasten. Bei kleinbäuerlichen Betrieben steht der Traktor oft ein halbes Jahr in der Halle und fährt nicht auf das Feld. Kleinere Landwirte machen damit eine Fehlinvestition – da liegt das größte Einsparpotenzial, etwa durch den überbetrieblichen Maschineneinsatz. Wenn man das mit den Bauern diskutiert, sind manche sehr einsichtig, manche sperren sich und sagen, der Traktor ist ihr Statussymbol. So lange man an dieser Denkweise festhält, ist man kein Unternehmer.

STANDARD: Ist es gut, dass die Landwirtschaft in Österreich so politisch untermauert ist?

Hardegg: Die Landwirtschaft, die vergemeinschaftete Agrarpolitik war vor 60 Jahren ein Teil des EU-Gründungsvertrages. Da ging es um das Thema: Wie können wir Nahrungsmittelpreise günstig halten und gleichzeitig die Strukturen auf dem Land erhalten. In Österreich haben wir noch Standespolitik. Die gibt es. Wir haben eine Kammer, die gesetzlich verpflichtend ist.

STANDARD: Ist das sinnvoll?

Hardegg: Eine Interessenvertretung macht sicher Sinn. Ich glaube nicht, dass man sie heute noch einmal so gestalten würde. Das ist in Österreich historisch so gewachsen. Wie viele Dinge muss man das akzeptieren. Würde man das Ganze heute noch einmal aufsetzen, würde man das sicher nicht mehr so machen. Die Kammer müsste sich durch ihren Service, ihre Dienstleistungen auszeichnen. Sie hat auch die Riesenaufgabe, die Landwirtschaft in die neue Generation zu begleiten.

STANDARD: Sie erhalten Direktzahlungen in der Höhe von einer halben Million Euro. Was würde eine Deckelung für Sie bedeuten?

Hardegg: Eine Deckelung ist ein rein politischer Willkürakt, der überhaupt keinen Fachbezug hat. So gesehen kann ich mit diesem Begriff überhaupt nichts anfangen und habe auch kein Verständnis dafür. Mein Betrieb steht für fachlich ausgerichtete Ziele, die sind enorm herausfordernd, da können wir uns solche Willkürakte nicht leisten. Sie können nicht einem Singvogel oder einer Zuchtsau erklären: Jetzt gibt es nichts mehr.

Singvögel haben wenig Verständnis für Deckelungen von EU-Subventionen, sagt Hardegg
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STANDARD: Oft heißt es: "Bauern jammern immer." Woher kommt dieses Vorurteil?

Hardegg: Ich jammere natürlich nicht, wie Sie vielleicht festgestellt haben (lacht). Ich vermute, dass viele Herausforderungen einfach dermaßen groß sind – wie das Klima, das uns Missernten beschert. Es gibt wohl keinen Beruf, bei dem man so unter freiem Himmel arbeitet und bei dem es eine so große Unbekannte gibt wie in der Landwirtschaft: das Wetter. Natürlich wird viel über diese Unbekannte geredet – da kann schon der Eindruck des Jammerns entstehen. (Nora Laufer, 15.7.2018)