Donald Trump wünscht sich einen anderen britischen Premierminister. Anders lässt sich der diplomatische Schock nicht erklären, der dem Besuch des US-Präsidenten in Großbritannien aufgrund eines Zeitungsinterviews für die "Sun" vorausging. Der Berserker im Weißen Haus soll den Briten und deren Regierungschefin Theresa May mitgeteilt haben: Die gerade erst mühsam im Kabinett vereinbarte Brexit-Politik ist falsch, der versprochene Freihandelsvertrag mit den USA vom Tisch.

Wie schon beim Nato-Gipfel nutzt Trump jede Gelegenheit, die engsten Verbündeten seines Landes zu demütigen. Die Fake-News-Vorwürfe gegen die "Sun" und die Beteuerungen von den "sehr, sehr engen" Beziehungen zu Großbritannien und zu May persönlich sollten nicht darüber hinwegtäuschen. In Brüssel stand Deutschland im Mittelpunkt seiner Angriffe. Ob es wirklich Zufall ist, dass beide Länder von Frauen regiert werden? Trumps Verachtung für demokratisch gewählte Politikerinnen erstreckt sich jedenfalls nicht auf (männliche) Tyrannen wie Nordkoreas Kim Jong-un oder den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.

Aufmerksamkeitsdefizit

Selbst begeisterte Parteigänger Trumps sprechen davon, der 72-Jährige leide an einem Aufmerksamkeitsdefizit. Seine Bewunderung für Brexit-Vorkämpfer wie Nigel Farage, den er am liebsten zum britischen Botschafter in Washington gemacht hätte, sowie für Boris Johnson ("würde einen großartigen Premierminister abgeben") repräsentiert "Wahnsinn mit Methode". Trump glaubt, er handle im US- Interesse, wenn er die europäische Zusammenarbeit schwächt – schließlich lassen sich einzelne Staaten leichter gegeneinander ausspielen als ein Staatenbund, der den größten Binnenmarkt der Welt repräsentiert.

Der als Außenminister gescheiterte Johnson will die Insel möglichst weit weg von der EU positionieren. Sollte dieser harte Brexit nicht verhandelbar sein, droht er gar mit dem Katastrophen-Brexit, also dem Austritt Großbritanniens ohne jegliche Vereinbarung mit dem Brüsseler Klub. Dies wäre für den Kontinent wirtschaftlich schlimm, für Großbritannien aber verheerend. Dass Trump solcherlei Verantwortungslosigkeit unterstützt und indirekt herbeiredet, lässt tief blicken. Der Präsident glaubt offenbar, dass der wirtschaftliche und soziale Niedergang der Brexit-Insel und ihrer wichtigsten Handelspartner im amerikanischen Interesse liegt. Damit hat er unrecht. Viel schlimmer: Er entpuppt sich als Feind des Alten Kontinents. (Sebastian Borger, 13.7.2018)