Gareth Southgate bleibt trotz Lobeshymnen bescheiden.

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St. Petersburg – Manager Gareth Southgate hat England in seiner knapp zweijährigen Amtszeit zu neuem Glanz verholfen. Mit dem Halbfinaleinzug bei der Weltmeisterschaft in Russland hat die Reise einen vorläufigen Höhepunkt gefunden. Ein Happy End gab es nach der 0:2-Niederlage im Spiel um Platz drei gegen Belgien nicht.

Southgate bleibt trotz Bewunderern bescheiden

Den vierten Platz solle man keinesfalls überbewerten, versicherte Southgate, er sei auch auf glückliche Umstände zurückzuführen. "Wir waren hier unter den besten vier Mannschaften, aber wir wissen, dass wir noch nicht zu den vier besten gehören", sagte der Coach: "Wir sehen unsere Leistungsfähigkeit sehr realistisch und lassen uns von dem vielen Lob nicht blenden. Wir hatten einen relativ komfortablen Weg ins Halbfinale. Wir müssen und werden uns noch stark verbessern."

Die Boulevardzeitung "Sun" hatte den Trainer nach dem bis zum Halbfinale andauernden Triumphzug als "Messias mit der Anzugweste" gefeiert. Eine solche trägt Southgate bei fast allen öffentlichen Auftritten, ihr Absatz schoss während der WM in ungeahnte Höhen. Seine Truppe hatten die Wenigsten vor Turnierbeginn auf der Rechnung. Mit dem vierten Platz haben die Three Lions nun immerhin das zweitbeste WM-Resultat der Geschichte nach dem Titel 1966 egalisiert.

Versöhnliche Worte zu Russland

Nach dem verlorenen Spiel um Platz drei versuchte sich der Trainer dann sogar daran, die angespannte Stimmung zwischen seinem Heimatland und dem WM-Gastgeber zu lockern. Nach zahlreichen Verstimmungen zwischen England und Russland, Boykottforderungen und einem Reiseverzicht aller Würdenträger im Vorfeld bedankte sich der Nationaltrainer ausdrücklich und in aller Form bei den Russen, auf die feine englische Art.

"Es wurde viel über die Beziehungen unserer beiden Länder gesprochen, aber aus persönlicher Sicht könnten wir keine bessere Behandlung erfahren haben. Wir hatten eine großartige Erfahrung und ich denke, alle unsere Unterstützer auch", konstatierte Southgate. Die russischen Journalisten bei der Pressekonferenz klatschten nach dessen Ausführungen.

Belgien voraus, Delph trauert

Das Spiel gegen Belgien sei drei Tage nach der Semifinal-Niederlage gegen Kroatien "wirklich schwierig" zu spielen gewesen. Abgesehen davon gestand sich der Trainer auch ein, dass aus dem Spiel heraus während des gesamten Turniers zu wenige Torchancen kreiert wurden. "Wir haben nicht genug qualitative Momente im Strafraum produziert", sagte der modebewusste Manager. Die drittplatzierten Belgier hätten seiner Mannschaft noch einiges voraus. "Belgien ist in seiner Entwicklung als Gruppe weit vor uns, wir sind noch nicht so weit."

Mittelfeldspieler Fabian Delph wird die vergebene Chance auf den Finaleinzug noch lange beschäftigen. "Nicht nur in der nahen Zukunft, sondern für den Rest unseres Lebens werden wir uns selbst dafür treten, wenn wir daran denken, dass wir eine wirkliche Gelegenheit hatten", sagte der Spieler von Manchester City nach dem "kleinen Finale". Obwohl man es überraschend weit geschafft habe, überwiege bei ihm am Ende die Enttäuschung über die Freude.

Belgien stolz auf beste Platzierung

In Belgien überwiegt dagegen der Stolz. 32 Jahre lang galt die Generation von 1986, die damals Vierter wurde, als das Maß aller Dinge im belgischen Fußball. Nun haben Pfaff, Scifo, Gerets und Co würdige Nachfolger gefunden. Mit dem souveränen 2:0-Sieg gegen England im Spiel um Platz drei und dem besten WM-Abschneiden der Historie hat die mit Stars gespickte Equipe in Russland noch einmal ihr großes Potenzial unter Beweis gestellt.

Die "Bronzene" bei der WM in Russland soll für die "Goldene Generation" nur der Beginn einer Ära gewesen sein. Und so gaben nahezu alle Topspieler noch direkt nach dem 2:0 gegen England den Titel 2022 in Katar als Ziel aus. "Ich hoffe, dass es in vier Jahren noch etwas besser geht. Unser Ziel ist es auf jeden Fall, dann ganz oben zu stehen", sagte Tormann Thibaut Courtois.

Teamchef Roberto Martinez war nach dem dritten Platz stolz auf seine Elf. "Wir haben einen wirklichen Meilenstein gesetzt und das haben sich die Spieler verdient." Der Halbfinal-Niederlage wolle man nicht nachtrauern. "Wir wollten natürlich gewinnen. Wenn man Brasilien schlägt und ins Halbfinale kommt, liegt der Fokus darauf, zu versuchen, den Pokal zu holen. Aber diese Spieler haben Geschichte geschrieben und das ist alles, was zählt", betonte der Coach.

Hazard liebäugelt mit Real Madrid

Kapitän Eden Hazard war einer der besten Spieler dieser WM. Auch am Samstag war er wieder bester Mann auf dem Platz und Schütze des 2:0. Danach deutete der angeblich von Real Madrid als Nachfolger von Cristiano Ronaldo umworbene Belgier seinen Abschied vom FC Chelsea an. "Ich bin seit sechs Jahren bei Chelsea, habe eine tolle WM gespielt. Vielleicht ist es an der Zeit, einmal etwas anderes zu machen", sagte dreifache Torschütze der WM. (APA, 15.7.2018)