Das seltsam homogene Blau, aufgenommen 1986 von der Sonde Voyager 2, täuscht: Unter der Hülle von Uranus schlummern noch viele Geheimnisse.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Durham – Eisriesen sind in der Milchstraße ein sehr verbreiteter Planetentyp, wie man mittlerweile weiß. Anders als klassische Gasriesen wie Jupiter bestehen sie nicht zu 90 Prozent aus Wasserstoff und Helium, sondern aus schwereren Elementen wie Sauerstoff, Schwefel und Kohlenstoff. Wie genau sie unter ihrer relativ dünnen Wasserstoffhülle zusammengesetzt sind, ist aber noch nicht bekannt.

Zwei Vertreter dieses häufigen Typs gibt es auch in unserem Sonnensystem: Uranus und Neptun. Der innere der beiden, Uranus, ist allerdings in gewisser Weise ein Sonderling. Auffälligste Besonderheit ist seine extreme Achsenneigung von 97,77 Grad, wodurch er sich wie eine Walze auf seiner Bahn um die Sonne bewegt. Einen halben Umlauf lang ist die eine Hemisphäre der Sonne zugewandt, dann die andere.

Turbulente Frühzeit

Diese Eigenschaft sowie einige andere glauben Forscher der Durham University in Großbritannien nun auf eine einzige Ursache zurückführen zu können: eine Kollision mit einem anderen Planeten in der Frühzeit des Sonnensystems.

Wie viele Planeten sich ursprünglich rund um die Sonne gebildet haben, ist unbekannt. Einer davon, etwa so groß wie der Mars, ist laut einer gängigen Theorie vergangen, als er mit der Proto-Erde zusammenstieß und das heutige Erde-Mond-System bildete. Der verlorene Planet, der laut den britischen Forschern vor etwa vier Milliarden Jahren mit Uranus zusammenstieß, wäre noch um einiges größer gewesen: Das Team um Jacob Kegerreis errechnete doppelte Erdmasse.

Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher durch über 50 Simulationen, in denen sie verschiedene Himmelskörper auf Uranus einschlagen ließen, um sein heutiges Erscheinungsbild zu erklären. Demnach habe es sich um einen Streifschuss gehandelt, der zwar ausreichte, die Achsenneigung zu verschieben – aber nicht, um die Atmosphäre des Uranus ins All zu blasen. Der andere Planet dürfte die Kollision hingegen nicht überstanden haben: Im Video, das die Forscher veröffentlichten, löst er sich in seine Bestandteile auf.

gizmag

Das Material des zerstörten Protoplaneten könnte dann für einige andere Besonderheiten von Uranus gesorgt haben. Für die extrem niedrige atmosphärische Temperatur von minus 216 Grad bieten die Forscher als Erklärung an, dass sich Material des anderen Planeten wie eine isolierende Schicht um den festen Teil des Uranus gelegt haben könnte, wodurch seitdem die Hitze in dessen Kern eingeschlossen bleibt. Anomalien in Uranus' Magnetfeld wiederum könnten die Folge regionaler Materiekonzentrationen sein, die durch die Kollision auf ihm abgelagert wurden.

Sicher ist auch, dass die Kollision Ringe und Monde des Uranus völlig neu strukturiert haben muss, falls er dergleichen vor dem Zusammenstoß schon hatte. Heute hat Uranus das nach Saturn am zweitstärksten ausgeprägte Ringsystem und 27 Monde, von Winzlingen bis zur knapp 1.600 Kilometer durchmessenden Titania. Wie es vor der Kollision aussah, ist aber ebenso wenig rekonstruierbar wie die ursprüngliche Zahl der (Proto-)Planeten im Sonnensystem. (jdo, 17.7.2018)