In Myanmar wurden im Jahr 2018 bereits Drogen im Wert von 187 Millionen US-Dollar verbrannt. Dennoch steigen Produktion und Konsum weltweit.

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Als Gastgeberland derjenigen multilateralen Organisationen, welche die internationalen Drogenkontrollmaßnahmen bestimmen, des UNODC (UN Office on Drugs and Crime), hat Österreich schon immer eine einzigartige Rolle in der internationalen Drogenpolitik gespielt. Dies wurde soeben noch verstärkt, als das Land die EU-Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate übernahm und somit die Verantwortung für die Koordinierung und Stärkung einer einheitlichen Stimme der EU trägt.

Im März 2019 wird es wiederum in Wien ein hochrangiges Treffen der Vereinten Nationen zur Drogenpolitik geben, bei dem geprüft wird, wie jedes Land in den vergangenen zehn Jahren gegen Drogen vorgegangen ist, was funktioniert hat und wo die Fehler lagen.

Selten diskutieren die Uno-Mitgliedsstaaten die Mängel der Prohibition im Detail – nicht nur das Scheitern der Versuche, Angebot und Nachfrage zu bremsen, sondern auch die negativen Folgen für die öffentliche Gesundheit wie Übertragung von HIV oder Hepatitis C, Verletzung der Menschenrechte durch Polizeigewalt, die Gewalt der Drogenkartelle und die Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit aufgrund der Willkür von Drogeninterventionen, welche auf bereits benachteiligte Bevölkerungsgruppen abzielen. Das Treffen in Wien ist ein wichtiger Meilenstein und wird eine einzigartige Gelegenheit bieten, den Kurs zu ändern.

Das Scheitern eingestehen

Drogenkonsum, Drogenproduktion und Drogenhandel steigen stetig. Es ist klar, dass das internationale Drogenkontrollsystem keines seiner Ziele erreicht hat. Viele Regierungen erkennen dies auch und führen andere Drogenpolitiken ein, wie die Entkriminalisierung des Drogenkonsums, die Substitutionstherapie für schwer Suchtkranke und sogar die rechtliche Regulierung einiger Substanzen, wie zum Beispiel von Cannabis in Uruguay und Kanada.

Der Verlust der Würde

Der bisherige Ansatz der Drogenkontrolle, der sich auf Strafverfolgung konzentrierte und Kollateralschäden außer Acht ließ, hat dazu geführt, dass Menschen ihre Würde und ihre Zukunftsaussichten verloren haben, und das aufgrund einer gewaltfreien Handlung, nämlich des privaten Konsums einer illegalen Droge.

Wer illegale Drogen konsumiert, sieht sich ähnlichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wie bei Alkohol- oder Tabakkonsum. Die rechtlichen, sozialen und beruflichen Risiken sind jedoch aufgrund der ungerechtfertigten Kriminalisierung Welten von jenen der Alkohol- und Tabakkonsumenten entfernt.

Darüber hinaus denken, konzipieren oder implementieren wir Europäer öffentliche Politiken nicht auf diese Art. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die europäischen Länder ihre Politik immer in Hinblick auf die Menschen durchdacht, indem sie Schwachstellen ihrer Bevölkerung angingen und unbeabsichtigte Konsequenzen minimierten.

Für die Atomenergie oder für Chemikalien haben wir strenge Vorschriften und Protokolle eingeführt, um deren Vorteil zu nutzen und gleichzeitig die Schäden gering zu halten. Aber wenn es um Drogen geht, verhalten wir uns ganz anders. Wir vertrauen auf Gefühle statt auf Vernunft und glauben, dass eine harte Haltung Kriminelle abschrecken wird. In Wahrheit zerstören wir damit das Leben der Ärmsten und Schwächsten, die wegen Drogenkonsums oder -besitzes verhaftet werden oder sich aus wirtschaftlicher Not den niedrigsten Rängen des Schwarzmarktes angeschlossen haben.

Nichtsdestoweniger haben wir Europäer Möglichkeiten gefunden, die negativen Konsequenzen der Strafrechtspolitik zu nuancieren, wie zum Beispiel in Österreich durch den Grundsatz "Therapie statt Strafe". Einige Länder in Europa haben den Menschen, die Drogen nehmen, sichere Konsumräume und langfristige Substitutionstherapien zur Verfügung gestellt. Wir haben die Strafen für den Drogenkonsum gesenkt und angemessene und verhältnismäßige Strafen für den Drogenhandel eingeführt.

Warum zögern wir dann, diese Erfolge mit der Welt zu teilen? Warum stehen wir auf internationaler Ebene an der Seite von Ländern, die im Namen der Drogenkontrolle schwere Menschenrechtsverletzungen begehen? Warum denken wir, dass eine humane Drogenpolitik "schwach" ist statt "schlau"?

Chance für Österreich

Hier hat Österreich die Möglichkeit, neue Spielregeln einzuführen. In der Tat erfordert die Reaktion auf illegale Drogen heute einen viel breiteren Blickwinkel als nur strafrechtliche Maßnahmen. Fragen der öffentlichen Gesundheit, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte, der Bildung, der Armutsbekämpfung, der nachhaltigen Entwicklung und der Frauenrechte müssen berücksichtigt werden, damit Politiken in Zukunft wirksam sind. Dies ist umso wichtiger, als die EU jetzt dringend eine bessere Drogenpolitik in ihren Nachbarländern unterstützen muss, die die Hauptlast der nach Europa kommenden jungen Flüchtlinge tragen.

Es gibt gute Beispiele

Die EU-Länder sollten auf diejenigen unter ihnen hören, welche die besten Erfahrungen gemacht haben: Portugal und Tschechien im Justizsystem, Luxemburg und die Niederlande in der öffentlichen Gesundheit und Kroatien und Deutschland im Bereich der medizinischen Verwendung von illegalen Substanzen oder eben auch Österreich mit seinem Ansatz "Therapie statt Strafe". Ein solcher Austausch auf der Ebene des Rates der Europäischen Union würde es Europa ermöglichen, sich für seine menschenzentrierten Ansätze einzusetzen und die Schikanen gegen Menschen, die Drogen konsumieren, zu beenden. Ich habe keinen Zweifel, dass Österreich dieser gewaltigen Aufgabe gewachsen ist. (Javier Solana, 16.7.2018)