Ob die Erkenntnisse aus dieser Studie auch für den Menschen gelten, muss sich erst zeigen. Bei Mäusen haben Wissenschafter des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) nun aber festgestellt, dass der erste Schritt der Embryonalentwicklung – nämlich die erste Zellteilung – anders abläuft als gedacht. Die genetischen Informationen von Mutter und Vater sind während dieses ersten Schritts offenbar noch getrennt. Das hatte man unter anderem von Insekten gekannt, aber nicht von Säugetieren.

Forscher um Judith Reichmann vom EMBL nutzten die sogenannte Lichtblattmikroskopie. Durch sehr kurze und räumlich präzise Beleuchtung wird der lichtempfindliche Embryo nur geringer Energie ausgesetzt. Die so ermöglichte Detailuntersuchung zeigte, dass die Kerne der männlichen und weiblichen Keimzellen nicht sofort verschmelzen und dann erst die Zellteilung beginnt, sondern dass es umgekehrt abläuft.

European Molecular Biology Laboratory (EMBL)

Bisher dachte man, dass sich die Chromosomen beider Elternteile an einer sogenannten Spindel, einer fadenartigen Struktur in der Zelle, aufreihen, und sich dann verdoppeln. Die neue Untersuchung ergab aber, dass zwei Spindeln vorhanden sind, die den väterlichen und den mütterlichen Chromosomensatz bei dieser ersten Teilung getrennt behandeln. Erst danach bildet sich ein gemeinsamer Zellkern und es geht weiter, wie es in den Biologielehrbüchern steht.

Ob diese Lehrbücher nun umgeschrieben werden müssen oder rechtliche Definitionen vom Beginn des Lebens angepasst werden müssen, ist mehr oder weniger eine Formalie. Wichtiger dürfte letztlich sein, dass sich dadurch möglicherweise ein Phänomen der Embryonalentwicklung erklären lässt: Bei den ersten Teilungen von Säugetierembryonen kann es zu Fehlern kommen, durch die sich mehrkernige Zellen bilden, was zum Abbruch der Entwicklung des Embryos führt. Doppelspindeln könnten der Mechanismus sein, der dafür verantwortlich ist. (red, 15. 7. 2018)