Bild nicht mehr verfügbar.

Wladimir Putin und Gianni Infantino verstehen sich gut.

Foto: Yuri Kadobnov/Pool Photo via AP

Moskau – "Wir haben mit unserem Fußball das Land bewegt. Es gab lange keine Euphorie, keinen Fußballboom. Das hat sich jetzt geändert", sagte Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow dem Spiegel: "Die Stadien, die Flughäfen, die Straßen, die Hotels, die Trainingscamps – das wird alles bleiben. Wichtig ist, dass das jetzt in Zukunft auch genutzt wird."

Tschertschessow, der während der WM zum russischen Volkshelden avancierte, führte eine mäßig talentierte Mannschaft bis ins Viertelfinale, eine riesige Euphoriewelle trieb sie an. Dass aber der russische Fußball, wie Premierminister Dimitri Medwedew sagte, "nie wieder sein enttäuschendes altes Selbst" zeigen wird, darf getrost bezweifelt werden.

Denis Tscheryschew vom spanischen Erstligisten FC Villarreal ist der einzige der russischen Profis, der in einer europäischen Top-Liga spielt. Spielmacher Alexander Golowin (22), momentan noch bei ZSKA Moskau unter Vertrag, hat als einziger der WM-Helden bei Topklubs Interesse entfacht. Der Rest ist Durchschnitt, die Spieler sind im Kollektiv über sich hinausgewachsen. Tschertschessow zögert noch, die Sbornaja weiter zu betreuen. Wahrscheinlich weiß er, dass mehr als das Viertelfinale bei der Heim-WM kaum zu erreichen ist.

Pensions- und Wirtschaftsmaßnahmen

Aber nicht nur sportlich ist fraglich, ob die WM als Sprungbrett in eine bessere Zukunft taugt. Im Schatten der Endrunde hatte die russische Regierung wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage im Land eine fundamentale Pensionsreform angekündigt.

Das Eintrittsalter soll von 2019 an stufenweise angehoben werden, bei Frauen von 55 auf 63 Jahre und von 60 auf 65 bei Männern. Zudem soll die Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent erhöht werden. Während der Endrunde, bei der Polizei- und Sicherheitskräfte im Licht der weltweiten Öffentlichkeit extrem zurückhaltend agierten, herrschte Ruhe.

Damit dies auch ohne WM und im grauen Alltag so bleibt, ist möglicherweise wieder ein strikteres Vorgehen des Staatsapparates notwendig beziehungsweise zu befürchten. Wladimir Putin bekam rund ums Finale viele warme Worte zu hören. Er selbst sagte: "Wir sind froh, dass unsere Gäste alles mit eigenen Augen gesehen haben, dass ihre Mythen und Vorurteile zerbrochen sind." (red, 16.7.2018)