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Aus taktischen Gründen hat die EU-Kommission bisher nur bekannte Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder ins Visier genommen.

Foto: Reuters / David W. Cerny

Keine Provokation unbeantwortet lassen, aber auch ja keine Eskalation. Das ist die Strategie der EU im Umgang mit Donald Trump und seiner aggressiven Handelspolitik. Die USA haben vor Wochen begonnen, Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa einzuheben. Die EU antwortete mit Zöllen auf Harley-Davidson, Orangensaft und Erdnussbutter. Die USA drohen aktuell mit Strafmaßnahmen gegen Pkws aus Europa. Die EU-Kommission kündigt Zölle für Ketchup, Rosinen und Fisch aus den USA an.

Die von der EU angedrohten und beschlossenen Maßnahmen betreffen immer nur einen Bruchteil des transatlantischen Handels. Am ehesten setzen die Europäer also gezielte Nadelstiche.

Zwei der bekanntesten Handelsexperten im deutschsprachigen Raum, die Ökonomen Gabriel Felbermayr und Jens Südekum, empfehlen der EU, ihre Strategie zu überdenken. Sollten die USA den Handelsstreit weiter eskalieren lassen, müsse die Kommission aufhören, mit "lächerlichen symbolischen Zöllen" zu antworten, so die beiden in einem vor kurzem veröffentlichten Plädoyer.

"Appeasement vermeiden"

Stattdessen sollten die Europäer US-Giganten wie Google, Facebook und Amazon ins Visier nehmen. "Die EU wird einen Handelskrieg nicht durch Appeasement vermeiden", so Felbermayr und Südekum, "besonders wenn ihr Gegner Donald Trump ist."

Die Strategie Brüssels baut bisher darauf auf, einen Keil zwischen Trump und seine Republikanische Partei zu treiben. Die Republikaner sollen Druck auf den Präsidenten ausüben, damit er den Handelskrieg abbricht. Im November finden in den USA Midterm-Elections statt, ein Teil des Kongresses wird neu gewählt.

Die EU versucht primär jene Bundesstaaten wirtschaftlich zu treffen, die für die Republikaner wichtig sind. So etwa Wisconsin, Michigan und Tennessee. Den Wählern dort soll klar werden, was ein Handelskrieg bedeuten kann. Nur gibt es bisher kaum Anzeichen dafür, dass die Strategie funktioniert. Der US-Präsident scheint aktuell einfach zu beliebt zu sein.

Eine aktuelle Umfrage der Washington Post zeigt zwar, dass die Mehrheit der US-Amerikaner die Handelspolitik Trumps ablehnt. Doch das schreckt sie nicht davon ab, den Präsidenten zu unterstützen. Gerade in jenen Bundesstaaten, in denen die Strafzölle der EU die meisten Auswirkungen haben dürften, genießt Trump hohe Zustimmungswerte. Eine Revolte der Republikaner gegen den Präsidenten erscheint also unwahrscheinlich.

Wo es wirklich weh tut

Felbermayr, der am Münchner Ifo-Institut forscht, und Südekum von der Uni Düsseldorf plädieren daher dafür, künftig dort anzusetzen, wo es den Amerikanern wirklich wehtut: bei Konzerngewinnen.

Die Europäer exportieren mehr Waren in die USA als umgekehrt. Die Differenz belief sich auf 150 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Oft wird dieses Defizit als Achillesferse der Europäer dargestellt. Weil die EU mehr Pkws und Maschinen in die USA verkauft als umgekehrt, werden die Europäer im Handelskrieg klein beigeben, so eine These.

Doch die USA exportieren netto viel mehr Dienstleistungen in die EU. Hinzu kommt, dass US-amerikanische Unternehmen und Investoren weit mehr Gewinne in Europa machen als europäische Firmen in den USA. Bezieht man das alles mit ein, ergibt sich, dass die Leistungsbilanz zwischen den USA und Europa ausgeglichen ist. Die Amerikaner erzielen sogar einen kleinen Überschuss.

Damit erscheinen sie verwundbarer. Deshalb brauche Europa den Konflikt nicht zu scheuen, schreiben Südekum und Felbermayr. Sollten die Amerikaner auf Pkws Zölle einführen und andere Strafmaßnahmen setzen, müsse Europa "sein Ass" ziehen und eine Digitalsteuer für Google, Facebook und Amazon einführen.

Veraltetes Steuerregime

Der Vorteil der Idee ist, dass Pläne dafür bereits in der Schublade liegen. Unabhängig vom Handelskonflikt diskutieren die Europäer seit Jahren über neue Steuern für digitale Dienstleister. Das aktuelle Steuerregime stellt darauf ab, Gewinne bei der physischen Präsenz eines Unternehmens zu erfassen – bei der Betriebsstätte. Nur verfügen Google und Facebook in den meisten Ländern über keine physische Präsenz. Die EU-Kommission hat im März mehrere Vorschläge für eine effektivere Konzernbesteuerung gemacht. Langfristig plädiert sie für die Einführung einer digitalen Betriebsstätte.

Bis es so weit ist, schlägt sie eine Digitalsteuer für Multis vor, deren Umsatz über 750 Millionen Euro im Jahr liegt. Besteuert werden sollen Umsätze, die aus dem Verkauf von Userdaten entstehen, etwa bei Facebook. Ebenso sollen Umsätze erfasst werden, die von Onlineplattformen wie Airbnb gemacht werden. Schließlich wären auch Werbeumsätze betroffen.

Nichtstun keine Alternative

Die EU schlägt die Einhebung einer dreiprozentigen Steuer auf die genannten Umsätze vor, sie könnte natürlich auch höher ausfallen. Betroffen wären vor allem US-amerikanische Unternehmen.

Eine Digitalsteuer könnte zu neuen Streitigkeiten in der Welthandelsorganisation (WTO) führen, weil unklar ist, ob sie rechtens ist. Doch nichts zu tun sei keine Alternative, sagt Südekum. Die EU sei in einer starken Position. China ist ebenfalls im Handelskonflikt mit den USA. Die Gewinne der US-Unternehmen in China sind aber geringer, "China hat also keine starke Antwortmöglichkeit, wie Europa sie hat", so Südekum. (András Szigetvari, 16.7.2018)