Finnlands auflagenstärkste Tageszeitung "Helsingin Sanomat" hatte einen speziellen Gruß für die Chefs von Kreml und Weißem Haus vorbereitet: "Putin führt einen neuen Schlag gegen freie Medien" und "Trump erklärt Medien zum Feind der Menschen – Willkommen im Land der freien Presse", stand in den jeweiligen Landessprachen auf Reklametafeln, die an diversen Plätzen in der Stadt aufgestellt waren. Zu sehen bekommen Wladimir Putin und Donald Trump diese Verbalattacken kaum. Die beiden wohl mächtigsten Männer der Welt haben sich bei ihrem ersten bilateralen Gipfel strikt von der Außenwelt abgeschirmt.

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Die Zeitungswerbung in Helsinki.
Foto: REUTERS/Ints Kalnins

Die Welt rätselt unterdessen, worüber die beiden Präsidenten wohl miteinander reden mögen. Die Besonderheit des Treffens besteht nämlich darin, dass es offiziell nicht einmal ein Programm hat. Das Weiße Haus sprach im Vorfeld von einem "lockeren Treffen", Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte, dass beide alt und erfahren genug seien, um selbst Themen für ein Gespräch zu finden. "Ein Erfolg ist, wenn wir normal miteinander zu reden beginnen", fügte er hinzu.

Gegenseitige Anschuldigungen

Gesprächsbedarf gibt es reichlich. Nur wenige Stunden vor dem Treffen warf Russland den USA skrupellosen Wettbewerb vor. Der Sprecher Putins bezog sich damit auf eine Aussage Trumps, wonach die geplante Pipeline Nordstream 2 ein Trauerspiel sei, das Milliarden in russische Kassen "scheffelt". Auch Trump teilte noch vor dem Gipfel aus und bezeichnete die EU, China und Russland als "Gegner" oder "Feind". Außerdem schrieb er auf Twitter, die Beziehung zu Russland sie noch nie so schlecht gewesen wie jetzt.

Die russisch-amerikanischen Beziehungen sind tatsächlich so miserabel wie zuletzt im Kalten Krieg. Doch selbst zu dessen Hochzeiten trafen sich etwa Richard Nixon und Leonid Breschnew, um allgemeine Regeln und Grenzen festzulegen: wichtige Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung der internationalen Sicherheit.

Im Gegensatz zu damals herrscht allerdings heute der Verdacht, dass statt globaler Sicherheitsinteressen partikulare Nutzenserwägungen den Gipfel bestimmen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas warnte Trump so vor "einseitigen Deals zulasten Europas".

"Beziehung aufbauen"

Vertragsabschlüsse werden jedenfalls nicht erwartet. Für Trump selbst, der schon im Wahlkampf erklärt hatte, dass er Putin für einen tollen Anführer halte, mit dem er sehr gut auskommen werde, geht es zunächst einmal darum auszuloten, wie gut die Chemie zwischen den beiden tatsächlich ist. Das Treffen diene dazu, eine "Beziehung" aufzubauen, erklärte Trump.

Demonstration in Helsinki.
Foto: AFP PHOTO / Jonathan NACKSTRAND

Überschattet wird der Gipfel freilich von einem neuen alten Spionageskandal – ganz in der Tradition des Kalten Krieges, denn auch ein Treffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow wurde einst so verdüstert. Nun hat US-Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen zwölf Mitarbeiter des russischen Armeegeheimdiensts GRU wegen Cyberattacken im US-Wahlkampf erhoben. Sie sollen unter anderem die Computer der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton gehackt haben. Nicht nur die russische Seite hat die Vorwürfe zurückgewiesen, auch Trump sprach von einer "Hexenjagd". Trotzdem will er die Abhöraktion der Russen im Wahlkampf immerhin ansprechen. Auch die Ukraine, Syrien, der Nahe Osten und die Verbreitung von Nuklearwaffen würden zur Sprache kommen, hat Trump angekündigt, ohne Einzelheiten zu nennen.

Lange Liste an Wünschen

Dabei haben die Fachleute in der US-Regierung eine ganze Palette von Wünschen: dass Russland die Verkäufe nordkoreanischer Kohle über den Schwarzmarkt unterbindet, sich stärker am Kampf gegen den internationalen Terror beteiligt und sich strikter an die Abrüstungsabkommen hält. Und sie hätten gern, dass Russland den Iran dazu bringt, sich aus dem Bürgerkrieg in Syrien zurückzuziehen.

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In Vietnam gab es Ende 2017 schon ein Treffen.
Foto: Jorge Silva/Pool Photo via AP, File

Ob Trump sich darum kümmert, ist fraglich. Er hatte zuletzt eher gegen das Gaspipelineprojekt Nordstream 2 geschossen, wobei unklar blieb, ob es sich dabei mehr um ein Trolling gegen die Deutschen oder um die Forcierung eigener Wirtschaftsinteressen handelte. In jedem Fall kamen die jüngsten Ausfälle Trumps gegen Nordstream 2 nicht gut an: Dieses Projekt wollen die Russen nicht aufgeben.

Daneben gibt es auf russischer Seite weitere Wünsche und Erwartungen. Einerseits geht es Moskau darum, die seit der Krimkrise sich unaufhörlich drehende Sanktionsspirale zu stoppen. Gerade die jüngsten einseitig von Washington verhängten Strafmaßnahmen für die mutmaßliche Einmischung im Wahlkampf waren schmerzhaft. Das quasi ausgesprochene Exportverbot für den Aluriesen Rusal des kremlnahen Oligarchen Oleg Deripaska führte zu einem Produktionseinbruch und Börsenabsturz des Konzerns.

Russland will Nichteinmischung kräftigen

Andererseits will der Kreml ein neues, allgemein gültiges Regelwerk in der internationalen Politik aufstellen. Der Westen, so der Vorwurf aus Moskau, habe nach dem Ende der Sowjetunion unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten alle Normen gebrochen und die internationale Stabilität gefährdet. Russland spricht zwar nicht von "Artenschutz für Autokraten", will aber das Prinzip der Nichteinmischung stärken.

Dazu könnte konkret in Syrien am ehesten ein Resultat erzielt werden. Für den Rückzug der Iraner müssten dann wohl auch die Amerikaner ihre Basis dort aufgeben und Garantien für eine Duldung Bashar al-Assads abgeben. (André Ballin aus Helsinki, Ines Zöttl aus Washington, 15.7.2018)