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Williams hat den kleinen Teller, Kerber den großen.

Foto: AP/Nic Bothma

Nach Angelique Kerbers Sturm auf den Tennis-Olymp stellte der immer lustige Boris Becker gleich einen Bauantrag für sein altes "Wohnzimmer" auf dem Centre Court von Wimbledon. "Vielleicht sollten wir es etwas vergrößern", schrieb die deutsche Tennis-Ikone auf Twitter. Schließlich müssten er, Steffi Graf und Michael Stich es ja nun mit der neuen Wimbledon-Siegerin aus Kiel teilen. Es könnte also ein wenig eng werden an diesem verklärten Ort im Süden von London.

Von allen Seiten erreichten Kerber nach ihrem Finalerfolg gegen Serena Williams die Glückwünsche und Gratulationen. Als die 30-Jährige mit dem silbernen Pokal in den Händen und einem Strahlen in den Augen durch das Klubhaus des altehrwürdigen All England Lawn Tennis Club schritt, warteten dort bereits die britischen Herzoginnen Meghan und Kate. Graf freute sich aus der Ferne über einen "klasse Erfolg", der dem "Sport Auftrieb geben sollte". Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sandte umgehend eine Grußbotschaft und gratulierte zu einer "begeisternden Leistung".

Lebenstraum

Durch ihren Triumph ist Kerber in den elitären Kreis der deutschen Tennis-Legenden aufgerückt. Ihr 6:3, 6:3 gegen die große, aber fern von Hochform befindliche Serena Williams gehört nun zu den wichtigen Momenten der deutschen Tennis-Historie. Becker und Graf rangieren zwar in einer eigenen Liga, doch auch Kerber ist nun eine der wichtigen Figuren. Mit den Australian Open, den US Open (jeweils 2016) und eben Wimbledon hat sie drei der vier Grand-Slam-Titel gewonnen.

Der Sieg vom Samstag sticht noch einmal kilometerweit heraus. Wimbledon sei "das Turnier der Turniere", hier zu gewinnen "der Traum der Träume", befand Kerber wenige Stunden nach ihrem Match. Als kleines Kind hatte sie im heimischen Wohnzimmer gebannt vor dem Fernseher die Triumphe ihres Idols Steffi Graf verfolgt. "Ich habe meinen Lebenstraum erreicht."

Nachdem auch der letzte Return der 23-maligen Grand-Slam-Gewinnerin Williams im Netz gelandet war, war Kerber wie vom Blitz getroffen auf den Rasen gesunken. Erst auf die Knie, dann auf den Rücken. Sofort schossen ihr die Freudentränen in die Augen. "Irgendwie lande ich jedes Mal auf dem Boden."

Demut

Die 36-jährige Williams trug die Niederlage mit Fassung und Demut. Ehemann Alexis Ohanian würdigte in emotionalen Worten die Leistung in den Monaten vor dem Finale. Im September war Tochter Alexis Olympia zur Welt gekommen, in der Folge schwebte Williams kurzzeitig in Lebensgefahr. "Wenige Tage nach der Geburt unserer Tochter küsste ich meine Frau vor ihrer Operation zum Abschied. Wir beide wussten nicht, ob sie zurückkommen wird", schrieb Ohanian auf Instagram: "Wir wollten einfach, dass sie überlebt. Zehn Monate später stand sie im Wimbledon-Finale."

Williams hatte nach der Entbindung eine Lungenembolie erlitten, durch die daraus folgenden Hustenattacken war die frisch vernähte Kaiserschnitt-Wunde aufgegangen. Es folgte eine erneute Operation, bei der die Ärzte ein großes Blutgerinnsel in der Bauchhöhle fanden. Wenig später dann noch ein Eingriff, um zu verhindern, dass das Gerinnsel in die Lunge gelangte.

Auch die Presse in den USA betrachtete in ihrer Bewertung der Leistung nicht nur das Finale: "Serena Williams hat ihren größten, am härtesten erarbeiteten Titel gewonnen: Champion der Frauen", schrieb die Washington Post. "Nichts gegen Angelique Kerber, die eine große Meisterin ist, aber Kerber spielte nur gegen eine Gegnerin. Williams spielte gegen viele von ihnen, einschließlich Zeit und Natur." Die New York Times schrieb: "Sie war es, die mit 36 Jahren den Weg wies für berufstätige Mütter und ältere Sportler, die nach mehr streben." (red, sid, 15.7.2018)