Wien – Eigentlich wollte Jule einen wie Jan gar nicht in ihrem Wohnmobil sitzen haben. Einmal hat sie ihn bereits rausgeworfen, da hatte Jan (Anton Spieker) sich kritisch zum Thema Selbstmord geäußert und damit eine Achillesferse Jules (Mala Emde) getroffen – denn deren Bruder schied einst so aus dem Leben. Trotzdem hockt Jan irgendwann wieder neben Jule und tut gewichtig. Dieses Mal auch ein wenig zu Recht. Denn während eines Überfalls auf einem Parkplatz stand der des Beifahrersitzes Verwiesene just im richtigen Moment vor der Tür und konnte einen Widersacher abwehren.

Jan und Jule und eine Reise zwischen Anziehung und Abstoßung.
Foto: Alamode Film

Beide Episoden zeigen: In Hans Weingartners 303 geht es ans Eingemachte – abrupt und etwas unsinnig, aber verlässlich. Tatsächlich werden die beiden Studenten so einen ganzen Roadtrip bestreiten, zwischen Anziehung und Abstoßung, Picknicks im Grünen, an Meeren und auf Raststätten. Sie sind die berühmte Schicksalsgemeinschaft, zusammengehauen für ein paar hundert Kilometer. Die Fahrt geht gen Süden. Dort möchte Jan seinen Vater aufspüren, einen spanischen Bootsbauer, von dem er erst seit kurzem weiß. Und Jule zieht es zu ihrem Freund, von dem sie schwanger ist. Keine Nachricht, die sie via Telefon überbringen möchte.

Die Gefühle im Mobil sind also von vornherein ein paar Grade über Normaltemperatur. Das lässt die Teilchen schneller schwingen und ist zugleich eine gute Kulisse für die Art von Gespräch, die altmodisch anmutet und dann auch wieder ganz zeitgemäß.

Trailer zu "303".
Lukas Delius

Altmodisch, da Jule und Jan im Film eine Zeit zugestanden wird, von der es manchmal heißt, man könne sie sich heute gar nicht mehr leisten. Wozu dann auch das Rilke-Zitat passt, das Weingartner (Die fetten Jahre sind vorbei) seinem Film voranstellt: "Dieses ist das erste Vorgefühl des Ewigen: Zeit haben zur Liebe." Womit auch klar wird, was 303 vor allem ist, nämlich ein Liebesfilm.

Zeitgemäß andererseits, wenn man sich anschaut, worüber da gesprochen wird. Der Regisseur, der das Drehbuch mit Silke Eggert verfasst hat, sagt, er habe über Jahre Dialoge von Menschen beobachtet und verarbeitet, Diskurse notiert und recherchiert. All das sei eingeflossen. Und so sinnieren die Reisenden über offene und geschlossene Beziehungen, den Menschen als Einzelkämpfer oder Gruppentier, mit wie vielen Personen sie zusammen gewesen sind und wie tief das ging und ob sich nur Idioten selbst lieben, was einer These von Jan entspricht.

Es wird nicht nur sehr viel auf engem Raum verhandelt, sondern auch geschaut: Jan etwa betrachtet Jule eines Morgens beim Yoga, und dazu überkommt einen samtene Gitarrenmusik wie wohl auch Jan ein besonderes Gefühl. Vielleicht Liebe? Von alldem kann man sich anstoßen lassen. Oder man steigt besser gleich aus der alten Kiste und bucht sich ein Zugticket. (Carolin Weidner, 16.7.2018)