Seit 2001 werden in Nigeria 60.000 Opfer im Krieg der Fulani gegen Berom und andere Bauernstämme gezählt – weit mehr als die rund 30.000 Opfer des islamistischen Boko Haram seit 2009. Die Aktionen der Fulani erfolgen als stetig dichter werdende Kette von Pogromen. Hirten treiben ihre Herden auf Felder, deren Eigentümer durch Schlachten der Tiere und auch mit bewaffnetem Widerstand dagegenhalten. Als "gerechte" Rache vollziehen die Fulani dann ihre Massaker.

Da 70 bis 90 Prozent der Getöteten Christen sind, spricht man von einem Religionskrieg. Doch die Glaubensgemeinschaften gibt es viel länger als die Kampfhandlungen. Was also treibt früher aushaltbare Differenzen in Richtung Blutvergießen?

Herdenwirtschaft benötigt viel mehr Land als Pflanzenproduktion. Beide benötigen ein Vielfaches dessen, was für Industrien und Dienstleistungen erforderlich ist. Mit dem Sprung von 40 auf 200 Millionen Menschen seit 1950 sind die attraktiven Weide- und Ackerflächen in Nigeria längst knapp geworden. Bis 2050 werden sogar 410 Millionen Menschen erwartet. In nur einem Jahrhundert klettert Nigeria von Platz 14 auf Platz drei der bevölkerungsreichsten Nationen, während Deutschland von Platz sieben auf Platz 24 absinkt.

Nigerias Verlust eigener Industrien – mit einem Rückgang um über 40 Prozent seit 2012 – gegen die überlegene asiatische Konkurrenz zwingt auch der Landwirtschaft bereits Entkommene zurück in den Streit um Flächen. Können sie nicht auswandern und verpuffen die von Europa gegebenen Millionenhilfen, werden Nachrichten und Bilder über Abschlachtungen zunehmen.

Die Religion kommt zum Zuge, weil muslimische Hirten bisher vor allem christliche Bauern angreifen. Doch wenn Christen – immer noch eine knappe Hälfte der Bevölkerung – sich militärisch besser organisieren, kommt der demografische Druck auch innerhalb der Bekenntnisse zum Zuge. Vorwände für Gewalt finden sich dann allemal auch zwischen Verehrern derselben Gottheit. Frommer Eifer mag ein Feuer heller lodern lassen, seinen Treibstoff liefert er nicht. (Gunnar Heinsohn, 16.7.2018)