Abiy Ahmed gibt als Premier vielen jungen Äthiopiern Hoffnung.

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Schon als Kind, das sagt die Legende, trug Äthiopiens junger Regierungschef Abiy Ahmed (41) einen politischen Spitznamen: "Abiyot". Das heißt auf Amharisch so viel wie Revolutionär. Und tatsächlich erlebt Äthiopien seit seinem Amtsantritt im März eine Art Revolution – eine, die Millionen von Äthiopiern Hoffnung gibt.

Vor allem die Volksgruppe der Oromos, die zwar zahlenmäßig stark, aber seit Jahrzehnten unterdrückt ist, wähnt sich im Aufwind. Nicht nur sie wollen in Abiy einen afrikanischen Politiker neuen Typs erkennen. Unermüdlich sendet dieser Signale der Versöhnung und der Einheit aus.

Aufgewachsen in Beshasha in der Oromia-Region, wo neben Kaffee vor allem die Kaudroge Khat angebaut wird, steht der Sohn einer christlichen Mutter und eines muslimischen Vaters heute wie ein Sinnbild für die optimistische Zukunft eines Landes, das wirtschaftlich zwar aufholt, politisch aber in der Autokratie verharrt.

Euphorie nach Wahlsieg

Jedenfalls bisher. Denn dass Abiy nach niedergeschlagenen Protesten gegen seinen Vorgänger Hailemariam Desalegn ohne Blutvergießen in den Menelik-Palast einzuziehen vermochte, gilt als Sensation. Sein Antritt löste in weiten Teilen der zuletzt von ethnischen Zentrifugalkräften gebeutelten Bevölkerung Euphorie aus.

Abiy war früher Grenzsoldat und Geheimdienstagent, in London studierte er IT-Wissenschaften. Von echter Demokratisierung ist bisher noch nicht viel zu bemerken. Denn der Vater dreier Töchter ist fest in der Einheitspartei EPRDF verankert.

Zahlreiche Reformen

Aber dennoch beeindruckt Abiy mit seinen Reformen. In gerade einmal vier Monaten beendete er den Ausnahmezustand, entließ politische Gefangene, kündigte Privatisierungen an, lockerte die rigide Zensur und knüpfte Bande mit Eritrea, dem Erzfeind im Norden. Der Grenzstreit hat die Politik beider Staaten über Jahrzehnte schwer belastet.

Dass aber nicht alle mit seiner Botschaft von Frieden und Prosperität eins sind, wurde Ende Juni manifest. Augenblicke nachdem er seine erste Rede als Premier beendet hatte, explodierte in der Menge eine Granate, mehrere Zuhörer wurden verletzt, regierungsfeindliche Parolen wurden skandiert. Abiy reagierte besonnen. Er ersuchte das FBI um Hilfe bei der Aufklärung und würdigte die Opfer als "Märtyrer der Liebe und des Friedens". So leicht, das wurde deutlich, lässt sich der Fitnessfanatiker von seinem Weg nicht abbringen. (Florian Niederndorfer, 16.7.2018)