Wertvolles Grundnahrungsmittel, identitätsstiftendes Kulturgut, Mittel zur Macht, religiöses Symbol und beliebter Snack: Seit Jahrtausenden spielt Brot eine besondere Rolle für den Menschen. Wie lange genau wir es schon backen, ist nicht eindeutig geklärt. Die Erfolgsgeschichte des Getreideprodukts ist aber untrennbar mit der Sesshaftwerdung des Menschen und dem Aufkommen der Landwirtschaft vor mehr als 10.000 Jahren verbunden.

Nun haben Archäologen in Jordanien die bisher ältesten Überreste von Broterzeugnissen entdeckt und kommen im Fachblatt "PNAS" zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die verkohlten Brotreste sind bis zu 14.400 Jahre alt und wurden demnach schon lange vor der Erfindung der Landwirtschaft hergestellt.

In dieser und anderen Feuerstellen der jordanischen Ausgrabungsstätte Shubayqa 1 fanden Wissenschafter Reste von Fladen, die aus wildem Getreide hergestellt worden waren.
Foto: Alexis Pantos

Zwar deuten alle Spuren darauf hin, dass die Herstellung von brotartigen Fladen zu dieser Zeit extrem aufwendig und daher eine Seltenheit gewesen sein muss. Doch der Fund verleitet zu einer äußerst spannenden Frage: War es das Streben nach Brot, das die einstigen Jäger und Sammler dazu motiviert hat, wildes Getreide gezielt zu selektieren und auszupflanzen?

Verkohlter Fladen

Die Archäologen der Universitäten Kopenhagen, London und Cambridge stießen in der Ausgrabungsstätte Shubayqa 1 im Nordosten Jordaniens auf Feuerstellen, die hunderte Überreste verkohlter Lebensmittel enthielten. Sie stammen von der sogenannten Natufien-Kultur, also von Jägern und Sammlern, die über Jahrtausende in der heutigen Levante lebten.

"Diese Jäger und Sammler sind von besonderem Interesse, weil sie in einer Übergangszeit lebten, in der die Menschen sesshafter wurden und ihre Ernährung änderten", sagt Studienleiter Tobias Richter von der Universität Kopenhagen. Schon frühere Werkzeugfunde legten nahe, dass in dieser Region nach und nach effektivere Methoden zur Pflanzenverwertung entwickelt wurden. Doch was die Wissenschafter bei der näheren Untersuchung der Nahrungsreste entdeckten, ist nicht weniger als das Überbleibsel des ältesten gebackenen Fladenbrots der Welt.

Die Wiege des Fladens.
Foto: Alexis Pantos

Wildgetreide und Wurzeln

Mithilfe der Rasterelektronenmikroskopie analysierten sie die Mikrostruktur der verbrannten Speisen im Detail und fanden dabei Spuren der Wildformen von Getreide wie Einkorn, Gerste und Hafer. Diese waren gemahlen, gesiebt und mit anderen Pflanzen und Wurzeln zu einem Teig verarbeitet worden, aus dem wiederum ungesäuerte brotartige Fladen hergestellt und gebacken wurden, so die Forscher.

Das Ergebnis erinnere frappierend an deutlich spätere Fladenfunde aus Europa und der Türkei. "Das beweist, dass die Herstellung von Brot schon lange vor der Domestikation von Nahrungspflanzen erfunden wurde", sagt Richter. Der Aufwand für die ersten Bäcker müsse freilich enorm gewesen sein.

Revolutionäres Gebäck

Die Forscher nehmen daher an, dass Brot erst sehr viel später zu einem festen Bestandteil der Ernährung wurde. Für die Menschen von Shubayqa 1 muss Brot also etwas sehr Besonderes und Wertvolles gewesen sein. Richter: "Es könnte durchaus sein, dass die frühe und extrem zeitraubende Produktion von Brot aus wildem Getreide zu den Hauptantriebskräften für die spätere landwirtschaftliche Revolution zählte."

Diese Revolution führte die Menschheit in eine neue Ära. Sie ist auch der Ausgangspunkt für den Aufstieg einer Pflanze, die heute das meistgehandelte Nahrungsmittel der Welt ist: Weizen. Der Anbau dieser, aber auch anderer Getreidearten brachte unzählige Neuerungen in allen Lebensbereichen mit sich.

Vor allem dass Getreidekörner unter den richtigen Bedingungen über Jahre hinweg gelagert werden können, bedeutete einen immensen gesellschaftlichen Fortschritt und führte sogar zum ersten Zahlungsmittel der Welt – lange vor der Erfindung von Münzen. Davon konnten die Menschen von Shubayqa 1 aber noch nichts ahnen, als sie vor 14.400 Jahren auf den Brotgeschmack kamen. (David Rennert, 17.7.2018)