Es gibt bislang noch keine offiziellen Pressebilder der neuen Flyon-Serie. Hier der Prototyp bei der Eurobike.

Foto: Werner Scholl / Winora-Staiger GmbH

So soll das Einsteigermodell der Flyon-Reihe aussehen.

Foto: Haibike/winora

Gespickt mit allerlei technischen Neuerungen.

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Der Akku verschwindet im Unterrohr.

Foto: Haibike/winora

Innsbruck – Das E-Bike ist der Goldesel der Fahrradindustrie. Für viele Hersteller war das Pedelec, wie E-Bikes mit unterstützendem Motor eigentlich genannt werden müssten, praktisch der Rettungsring, der sie vorm Untergang bewahrte, denn der Absatz nichtmotorisierter Zweiräder stagniert oder ist rückläufig – abgesehen von wenigen Nischen. Das E-Bike hingegen boomt nach wie vor.

Der britische Kultrider Sam Pilgrim fährt seit dem Vorjahr für Haibike und lotet die Grenzen am E-Bike neu aus.
Haibike

Wohin diese Reise geht, hat nun Branchenprimus Haibike, eine Marke der Winora Group, enthüllt. Mit der Vorstellung der neuen Flyon-Serie, die ab 2019 im Handel sein wird, geben die Deutschen die Richtung vor. Zahlreiche Innovationen sollen, geht es nach dem Konzern, Benchmarks setzen. DER STANDARD hat Ingo Beutner, den Technikchef bei Haibike, gebeten, die wichtigsten Neuerungen bei den Flyon-Modellen zu erklären.

Komponenten dem Rad angepasst

Aus seiner Sicht ist die größte Errungenschaft, dass "wir zum ersten Mal ein Rad nach unseren Vorstellungen entwickeln konnten". Denn bisher wurden bei E-Bikes bereits fertige Komponenten anderer Hersteller verbaut. "Bei den Flyon-Modellen mussten wir keine vorgefertigten Teile einpassen, alles wurde nach unseren Wünschen gebaut", erklärt Beutner.

Dazu bedurfte es einiger Vorbereitungen. Vor rund drei Jahren begann Haibike zusammen mit dem Münchner E-Motoren-Hersteller TQ einen eigenen Motor zu entwickeln. Die Bayern seien "sofort offen und von der Idee, ein eigenes System zu schaffen, begeistert" gewesen, erzählt Beutner. Zudem brachten sie einige Erfahrung mit E-Bikes mit. So hat TQ bereits in kleinen Margen Motoren für M1, Woodpecker und Bayk produziert.

Stärkster Mittelmotor auf dem Markt

Das Ergebnis der Kooperation ist der HPR 120S, mit 120 Nm Drehmoment der leistungsstärkste E-Bike-Mittelmotor auf dem Markt. Zudem ist er mit nur 144 Millimeter Gehäusedurchmesser ausgesprochen klein und kompakt. Dank selbstentwickelter Motorsoftware bietet er fünf verschiedene Unterstützungsstufen von Eco bis Xtreme.

Den Strom bezieht der neue Motor aus einem wasserdichten Intube-Akku, der gänzlich ins Unterrohr integriert ist. Dieser The Battery genannte Akku wurde ebenfalls exklusiv in Kooperation mit BMZ entwickelt und leistet 630 Wh bei 48 Volt. Bei maximaler Unterstützung soll die Reichweite laut Haibike 40 Kilometer betragen. Mit dem optional erhältlichen 10A-Ladegerät soll der Akku in nur 60 Minuten bereits zu 80 Prozent geladen werden können. Er wird von unten ins Unterrohr geschoben, wo er mittels eigenem Abus-Schloss gesichert ist.

Auch das Cockpit wurde komplett überarbeitet und soll nun "noch ergonomischer" sein. So befindet sich der Mode-Switch zum Wechsel der Bedienungsstufen künftig unterhalb des Lenkers und kann per Daumendruck bedient werden. Eine eigene LED-Anzeige gibt dem Fahrer Auskunft, welche Stufe er gerade benutzt.

Das Radl kommt mit SIM-Karte

Auch die Flyon-Serie wird – wie schon jetzt einige Haibike-Modelle – mit E-Connect ausgestattet sein. Das heißt, jedes Rad hat eine eigene SIM-Karte und ist so mit dem Internet verbunden. "Wie beim Smartphone erhalte ich die neuesten Updates direkt aufs Bike geschickt und kann sie einfach uploaden", erklärt Beutner. Zudem haben die Räder einen GPS- und einen Lagesensor, was automatische Datenaufzeichnung ermöglicht. Und natürlich sind die Flyon-Bikes auch mit Bluetooth ausgestattet.

Selbst der Diebstahlschutz ist bereits integriert. Sobald das abgestellte Rad bewegt wird, erhält der Besitzer eine SMS-Meldung. Dank GPS-Sensoren ist der Standort einfach zu eruieren. Ein Feature geht sogar auf die oft diskutierte Unfallgefahr ein, die von E-Bikes ausgehen soll. Sobald sich das Rad überschlägt oder die Sensoren bestimmte G-Kräfte wahrnehmen, wird eine Kontroll-SMS an den Fahrer oder Besitzer gesandt. Antwortet dieser nicht zeitgerecht, kontaktiert das Rad eine dafür vorab gespeicherte Notfallnummer und schlägt Alarm.

Integrierte Beleuchtung

Die optisch auffallendste Neuerung bei der Flyon-Serie ist die integrierte Beleuchtung. So ist am Lenker ein Scheinwerfer verbaut, der unterteilt in drei Stufen bis zu 5.000 Lumen leisten soll. Und auch die beiden Rücklichter sind bereits in die Ausfallenden integriert, was die Flyon-Bikes vor allem nachts unverwechselbar machen wird.

Sämtliche Flyon-Rahmen sind aus Karbon gefertigt. "Das spart Gewicht und ermöglicht zugleich bessere Designlösungen", sagt Cheftechniker Beutner. Bemerkenswert ist zudem, dass man sich schon bei der Entwicklung Gedanken gemacht hat, wie man das unter E-Bikern weitverbreitete Tuning vermeiden kann. "Bei einem so leistungsstarken Motor sind wir strikt dagegen, weil es kontraproduktiv wäre und E-Bikes nur in ein schlechtes Licht rücken würde", erklärt Beutner die Überlegung dahinter. Daher ist die neu entwickelte Sensorscheibe derart codiert, dass es nur mehr sehr schwer und mit viel Fachwissen möglich ist, die Verriegelung zu umgehen.

Das ist, kurz zusammengefasst, die neue Grundausstattung der 2019er-Modellreihe von Haibike. Man habe aber bewusst noch Spielraum für weitere Neuerungen gelassen, sagt Beutner mit Blick auf die kommenden Jahre.

Im Handel werden die Flyon-Bikes frühestens im April 2019 sein. Und wer ein solches erstehen will, muss tief in die Tasche greifen. Das Einsteigermodell wird ab 6.299 Euro erhältlich sein, das Topmodell kommt auf stolze 8.999 Euro. (Steffen Arora, 17.7.2018)