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Der Appetit auf europäische Unternehmen ist in China groß. Nur die Behörden stehen auf der Bremse.

Foto: Reuters/THILO SCHMUELGEN

Die Zurückhaltung der Politik hat dem chinesischen Drachen einen Zahn gezogen. Auszumachen ist dies an einem deutlichen Einbruch der Investitionen aus dem Reich der Mitte in Europa. Im ersten Halbjahr 2018 wurden laut einer Studie der Beratungsgesellschaft EY mit 111 Transaktionen zwar bloß um zwölf Prozent weniger Übernahmen und Firmenbeteiligungen als in der Vorjahresperiode realisiert, das dahinterstehende Investitionsvolumen hat sich dabei jedoch auf 14,9 Milliarden Euro sogar mehr als halbiert.

"Der Gegenwind hat eindeutig zugenommen", erklärt EY-Expertin Eva-Maria Berchtold die Entwicklung. "Es gibt teilweise politische Bedenken und die Sorge vor einem Ausverkauf von Know-how." Zudem sei bei einigen geplanten Deals die Finanzierung nicht zustande gekommen, da die regulatorischen Anforderungen in China verschärft worden seien. Generell gebe es strengere Auflagen für die Übernahme ausländischer Unternehmen, die Peking eine bessere Kontrolle über die Kapitalflüsse ins Ausland ermöglichen sollen. Zukäufe seien in manchen Branchen wie Hotels grundsätzlich nicht mehr erwünscht.

Weniger Investitionen in Industrie und Finanz

Rückläufig waren im ersten Halbjahr vor allem Investitionen in Europas Industrieunternehmen und die Finanzbranche, in den Bereichen Energie und Konsumgüter hat das chinesische Engagement hingegen zugenommen. Die meisten Transaktionen, nämlich 26, tätigten Chinas Firmen in Deutschland vor Großbritannien mit 22 Deals. "Österreich befindet sich nach wie vor nur am Rande des Radars chinesischer Investoren", sagt Berchtold. Insgesamt gibt es laut der Austrian Business Agency hierzulande 118 Unternehmen mit chinesischen Eigentümern. Transaktionen wie jene zwei des ersten Halbjahres sind Berchtold zufolge "weiterhin Einzelfälle".

Einer davon war der Textilkonzern Wolford, bei dem man sich mit den neuen Besitzverhältnissen bereits arrangiert hat – und künftig das aufstrebende Asien stärker als Absatzmarkt erschließen will. Helfen soll dabei der neue chinesische Mehrheitseigentümer Fosun, der seit dem Frühjahr bei den Vorarlbergern die Fäden zieht. Der Mutterkonzern sei in der Region "exzellent vernetzt", sagte Firmenchef Axel Dreher vergangene Woche, die China-Strategie werde derzeit überarbeitet. Die Produktionsstandorte in Vorarlberg sollen aber ebenso erhalten bleiben wie die Notiz an der Wiener Böse.

Berührungsängste

Denn auch auf dem Alten Kontinent bestehen Berührungsängste. Chinesische Investoren müssten ihre Absichten genauer erklären als früher und "zum Teil auch Zugeständnisse in Bezug auf Arbeitsplätze und Unternehmenssitz machen, um Ängsten zu begegnen", sagt Berchtold. "Auch auf europäischer Seite wurden die regulatorischen Anforderungen erhöht – daran sind einige Deals gescheitert."

Dessen ungeachtet fällt der Ausblick positiv aus. Die veränderte politische Großwetterlage und die handelspolitischen Spannungen mit den USA könnten "zu einer größeren Bereitschaft in Europa führen, chinesische Investoren ins Boot zu holen". Zumal auch im Reich der Mitte ein Umdenken stattfinde. "Wir sehen erste Anzeichen, dass die chinesische Regierung wieder langsam die Tür öffnet, besonders wenn es sich um attraktive Zielunternehmen handelt", sagt Berchtold. Etwa im Rahmen des "One Belt, One Road"-Projekts, mit dem ein Infrastrukturnetz zwischen China, Europa und einigen Ländern Afrikas aufgebaut werden soll. (Alexander Hahn, 17.7.2018)