Der amerikanische Dichter Charles Simic (ein gebürtiger Serbe) schrieb einmal: Auf dem Balkan sagt man, es gebe nichts Gefährlicheres als Politiker, die an ihre eigenen Märchen glauben.

Diese Warnung fällt dem Beobachter ein, der die jüngsten Erklärungen Donald Trumps vor seinem ersten Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Revue passieren lässt. Seine einschüchternden Drohungen gegen die Nato-Verbündeten, die "in vielen Fällen schlimmer sind als unsere Feinde", die unfassbaren Demütigungen und die darauffolgenden abstoßenden Lobhudeleien über die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die britische Premierministerin Therese May, das Spiel mit der Option des Rückzugs aus der Nato ("mein eigenes Ding machen") versetzten nicht nur die baltischen Nachbarn Russlands in Furcht und Schrecken. Noch nie gab es ein so düsteres Szenario vor einem amerikanisch-russischen Gipfeltreffen wie jetzt.

Gefährdet liberale westliche wirtschaftliche Ordnung

Allein durch seine Interviews und Reden zerstört Trump die Glaubwürdigkeit des westlichen Sicherheitsbündnisses. Durch sein Lob für den Brexit, gekoppelt mit der Schmähung der EU und erst recht mit den einseitigen Schritten in der Zoll- und Handelspolitik gefährdet er über das transatlantische Verhältnis hinaus die liberale westliche wirtschaftliche Ordnung.

Die von den deutschen Medien thematisierte Obsession mit oder der vermutete Hass auf Deutschland mag man mit psychologischen Motiven (die zuerst verleugneten deutschen Großeltern auf väterlicher Seite) zu erklären versuchen. Es handelt sich aber um weltpolitische Weichenstellungen und vor allem um die Sicherheitsinteressen Europas. All das bleibt mit rationellen Argumenten unerklärbar, zumal der US-Präsident durch seinen "methodischen Wahnsinn" (so der Leitartikler der "FAZ") bereits vor dem persönlichen Treffen in Helsinki den Boden für einen politisch-strategischen Erfolg des Kremls bereitet hat: ein beispielloser Fall der Unterwürfigkeit der USA gegenüber Russland in der Nachkriegsgeschichte.

Durch russisches Geld kompromittiert

Nur vor diesem verstörenden Hintergrund kann man die Tragweite der von namhaften US-Kolumnisten geäußerten Vermutungen über die persönlichen Motive der seit seinem Amtsantritt erwiesenen Gefälligkeiten Trumps gegenüber dem russischen Herrscher begreifen. Vor einigen Tagen sprachen zwei berühmte "New York Times"-Kolumnisten, Paul Krugman und Roger Cohen, den ungeheuren Verdacht aus, dass Trump entweder buchstäblich ein russischer Agent sei oder durch den russischen Geheimdienst oder durch Geld kompromittiert worden sei.

Das Auftreten Trumps bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin in Helsinki, vor allem seine öffentliche Desavouierung der Berichte aller amerikanischen Geheimdienste über die russische Einmischung in die Präsidentschaftskampagne und die Vermeidung jeglicher Kritik an der russischen Expansionspolitik haben jedenfalls die schlimmsten Befürchtungen über seine Person und seinen außenpolitischen Kurs bestätigt. Ob der Sonderermittler Robert Mueller oder die Medien weitere brisanten Details über die direkten oder indirekten Kontakte des Trump-Lagers mit russischen Stellen entlarven und ob diese bei den US- Kongresswahlen im Herbst eine politische Wende bewirken werden, muss dahingestellt bleiben. (Paul Lendvai, 17.7.2018)