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Mehr als die Hälfte hat Probleme beim Ein- oder Durchschlafen, zeigt eine aktuelle Umfrage. Aufgeholt wird der fehlende Schlaf gerne in der Freizeit: Knapp ein Viertel aller Befragten schlafen am Wochenende mehr.

Foto: Getty Images

Die Arbeit raubt Österreichs Arbeitnehmern den Schlaf – und das bereits vor der Einführung des Zwölfstundentags. Mehr als die Hälfte aller Österreicher (57,9 Prozent) haben Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen. Dabei sind Frauen mit 58,6 Prozent etwas häufiger betroffen als Männer (55,5 Prozent), zeigt eine Umfrage der Online-Jobbörse Stepstone.at, für die im Juni mehr als 1.000 Arbeitnehmer im Alter von 25 bis 54 Jahren in ganz Österreich befragt wurden.

Der häufigste Grund für die Schlafprobleme: der Job. 32,1 Prozent können oft nicht einschlafen, weil sie an die Arbeit denken, und etwas mehr als ein Viertel (27,2 Prozent) geben an, dass Stress aus der Arbeit sie auch nachts belastet. Ein weiteres Viertel (24,3 Prozent) geht vor dem Einschlafen den vergangenen Arbeitstag im Kopf nochmals durch oder denkt schon daran, was am nächsten Tag im Büro alles erledigt werden muss. Und 16,9 Prozent denken statt zu schlafen darüber nach, den Job zu wechseln oder zu kündigen.

Zum Vergleich: Nur 9,6 Prozent aller Befragten geben an, dass Familiensorgen der Grund für Ein- oder Durchschlafprobleme sind. Fast gleich vielen der Befragten, nämlich 9,7 Prozent, graut einfach nur vor dem nächsten Arbeitstag. Auch nach dem Aufwachen gelten für 19,2 Prozent aller Befragten die ersten Gedanken gleich wieder dem Job – ein Teufelskreis.

Albträume vom Job

"Jeder nimmt die Ereignisse des Tages mit in den Schlaf", sagt Gerda Saletu-Zyhlarz, Leiterin des Schlaflabors der Universitätsklinik für Psychiatrie an der Medizinuniversität Wien. "Gerade wenn ich einen anstrengenden Tag hinter mir habe, kann ich meinen Ärger nicht an der Haustür hinter mir lassen." Das betrifft auch die Träume: 69,6 Prozent hatten schon einmal einen Traum oder Albtraum vom Job – und immerhin ein knappes Viertel (23 Prozent) aller Befragten träumt ein- oder mehrmals pro Woche vom Job. Das sei aber an sich kein Problem: "Wer beruflich unter Druck steht, darf auch vom Job träumen", so die Schlafmedizinerin.

Problematisch wird es, wenn es jemand über längere Zeit hinweg nicht schafft, die Probleme und Sorgen aus der Arbeit hinter sich zu lassen – und sich damit eine handfeste Schlafstörung einhandelt. Fast die Hälfte aller Befragten (49,9 Prozent) liegt mindestens einmal pro Woche wegen der Arbeit nachts wach, gut jeder Dritte (36,6 Prozent) hat öfter als zweimal pro Woche Probleme zu schlafen. Jeder Siebente (14,1 Prozent) hat sogar vier- bis sechsmal pro Woche oder öfter Probleme beim Ein- oder Durchschlafen.

Wer einmal eine schlechte Nacht hat, muss sich aber nicht gleich Sorgen machen, so Saletu-Zyhlarz: "Es gibt gute und schlechte Nächte. Wer aber zwei- bis dreimal pro Woche über drei Monate hinweg Schlafstörungen hat, könnte unter einer chronischen Insomnie leiden."

Nachschlafen am Wochenende

Ein Drittel aller Befragten (32,4 Prozent) verliert wegen Ein- oder Durchschlafproblemen jede Woche fünf bis zehn Stunden Schlaf – das sind bis zu 21 Tage pro Jahr. Jeder Fünfte (22,8 Prozent) muss sogar auf mehr als zehn Stunden Schlaf pro Woche verzichten – im schlimmsten Fall bis zu 30 Stunden. Jeder Neunte (11,3 Prozent) geht während der Arbeitswoche deshalb täglich unausgeschlafen und müde ins Büro.

Die jüngst im Parlament beschlossene Ausweitung der Tageshöchstarbeitszeit auf zwölf Stunden sei punktuell kein Problem, sagt Saletu-Zyhlarz. "Problematisch wird es, wenn diese Zwölfstundenschichten sich häufen, sodass keine Erholungszeiten mehr bleiben – und natürlich auch dann, wenn sie von oben herab gegen den Willen des Arbeitnehmers verordnet werden können. Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins sorgt für zusätzlichen Druck, der Arbeitnehmer wiederum schlechter schlafen lässt."

Gerade im Schichtbetrieb leiden Arbeitnehmer vermehrt unter Schlafstörungen, zeigt die Studie: So geben vor allem Beschäftigte im Gesundheitsbereich an, dass sich unregelmäßige Arbeitszeiten oder Schichtdienst negativ auf ihren Schlafrhythmus auswirken würden.

Anfälliger für Fehler

Arbeitnehmer sind im unausgeschlafenen Zustand extrem anfällig für Fehler, zeigt die Studie einmal mehr: Die Befragten fühlen sich nicht nur häufiger erschöpft (elf Prozent) sowie unkonzentriert und fehleranfälliger (acht Prozent), sondern auch schneller gereizt und aggressiv (8,5 Prozent), traurig und niedergeschlagen (7,2 Prozent) und haben häufiger Kopfschmerzen (7,4 Prozent) sowie Verspannungen und Rückenschmerzen (11,7 Prozent).

"Es gibt eigentlich kaum einen Funktionsbereich im menschlichen Organismus, der von Schlafstörungen langfristig nicht betroffen ist", sagt Saletu-Zyhlarz. "Man ist tagsüber öfter müde und schläfrig, weniger leistungsfähig und hat Probleme mit der Konzentration. Das erhöht das Fehlerpotenzial und auch die Unfallgefährdung. Auch depressive Verstimmungen, Gereiztheit und Angstreaktionen können Folgen von Schlafmangel sein. Generell sind Menschen mit Schlafmangel anfälliger für Krankheiten und müssen unter Umständen auch mit erhöhten Blutzuckerwerten und einem erhöhten Cortisol-Spiegel rechnen. Damit erhöht sich auch die Gefahr für koronare und cerebrovaskuläre Erkrankungen wie einen Herzinfarkt oder Schlafanfall."

Alkohol und Medikamente

Um besser schlafen zu können, setzen nicht wenige auf Alkohol und Medikamente: Knapp acht Prozent aller Befragten greifen abends schon einmal zum Bierglas oder Einschlafhilfen. Am eifrigsten sind auch dabei wieder Berufsgruppen aus dem medizinischen Bereich: Hier setzen 11,7 Prozent auf Alkohol oder Medikamente – im Vergleich zu nur 3,4 Prozent aller Mitarbeiter aus der IT.

Der bewusste Einsatz schlaffördernder Medikamente könne von Schlaflosigkeit geplagten Arbeitnehmern durchaus Erleichterung verschaffen, sagt Saletu-Zyhlarz: "Wer dauerhaft schlecht schläft, denkt irgendwann an nichts anderes mehr. Diese Gedankenspirale können Einschlafhilfen durchbrechen – indem sie den Patienten zeigen, dass guter Schlaf wieder möglich ist." Keine Lösung hingegen sei der Einsatz von Alkohol, so die Schlafmedizinerin: "Man schläft zwar schneller ein. Dafür reduzieren sich in der zweiten Nachthälfte die Tiefschlafphasen. Man wacht häufiger auf – und schläft schlechter wieder ein."

Die Schlafexpertin rät betroffenen Arbeitnehmern dazu, auf ihre Schlafhygiene zu achten – und das Thema nicht zu überdramatisieren. "Jeder Schlaf ist einmal besser und einmal schlechter. Wichtig ist, das eigene Schlafbedürfnis zu kennen und im Großen und Ganzen einzuhalten. Ein- oder zweimal unausgeschlafen ins Büro zu gehen ist okay – wer aber über Monate hinweg wirklich mehrmals pro Woche Ein- oder Durchschlafprobleme hat, sollte sich medizinische Unterstützung suchen." (red, 17.7.2018)