"K-12"-Schulen in Kanada und den USA können SAFR kostenlos nutzen. Vorgaben zum Einsatz macht der Hersteller allerdings bisher nicht.

Foto: SAFR.ai

Auch in der jüngeren Vergangenheit ist es in den USA zu Schulamokläufen gekommen. Ein Thema, welches das Land schon lange beschäftigt und in trauriger Regelmäßigkeit eine Diskussion über strengere Waffengesetze entfacht. Doch in dieser sind die Fronten nach wie vor verhärtet. Eine Bewegung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

Die Firma Realnetworks, ein früher Online-Pionier, der unter anderem den berühmt-berüchtigten Realplayer entwickelt hat, erprobt nun einen anderen Ansatz. Man hat ein Gesichtserkennungssystem namens SAFR veröffentlicht und bietet es Grundschulen in Kanada und den USA kostenlos an. Experten sind allerdings skeptisch, berichtet Wired.

Dass ausgerechnet Realnetworks einen solchen Vorstoß macht, ist einigermaßen überraschend. Denn Firmenchef Rob Glaser ist ein langjähriger Unterstützer der Demokraten, die sich mehr Kontrollen für Waffenkäufer wünschen. Er hofft, in Anbetracht des politischen Grabenkriegs um dieses Thema, einen "sozialen Konsens" schaffen zu können.

Bitte lächeln

In Seattle wird SAFR bereits an einer Schule getestet. Dort wurden Erwachsene – also vor allem Eltern, Lehrer und andere Schulmitarbeiter – ersucht, sich für das System zu registrieren, nicht aber die Schüler selbst. Während die Kinder immer hereingelassen werden, müssen sich alle anderen einer Schranke stellen. Dort muss man in eine Kamera lächeln, damit das System einen als lebende Person identifizieren kann. Wird die Person erkannt, geht die Türe zu den Klassenräumen auf. Ansonsten führt der Weg über die Rezeption.

Die Gesichter erhalten beim erstmaligen Scan einen Hashwert vom System und werden lokal am Server der Schule gespeichert. Dieser kann nicht unter verschiedenen Schulen ausgetaucht werden, da er mit anderen Systemen nicht kompatibel ist. Jedoch ist es möglich, eine Austauschmöglichkeit für mehrere Schulen eines Verbundes bzw. Unternehmens einzurichten.

Keine Vorgaben

Realnetworks macht den Administratoren der Schulen keine Vorgaben, wie sie SAFR implementieren. Diese können selbständig darüber entscheiden, wie lange die Daten gespeichert werden, wie sie verwendet werden oder ob man Schüler, Eltern und Mitarbeiter überhaupt um Zustimmung ersucht.

Das sorgt für Skepsis beim Liberty and National Security Program des Brennan Center. "Gesichtserkennungstechnologie kann eine zusätzliche Gefahr sein, wenn es keine klar definierten Richtlinien gibt", warnt Expertin Rachel Levinson-Waldman. Schulen könnten etwa erfassen, wer oft mit wem interagiert und dieses Wissen bei Sanktionen missbrauchen. Glaser stimmt dem grundsätzlich zu, da man überlegt, SAFR auch an Behörden und andere Kunden anzubieten. Ob man Schulen bindende Regeln auferlegen oder nur Empfehlungen geben will, weiß man aber noch nicht.

Gesichtserkennung bei dunkelhäutigen Menschen ungenauer

Es gibt auch Bedenken ob der Zuverlässigkeit des Systems. Viele Gesichtserkennungsalgorithmen arbeiten bei dunkelhäutigen Menschen deutlich ungenauer. Das soll einerseits an schwerer erkennbaren Kontrasten, andererseits aber auch an den für das Training herangezogenen Datensätzen liegen, die hauptsächlich Fotos von Menschen heller Hautfarbe beinhalten.

Bei Realnetworks betont man, Aufnahmen von Menschen aus aller Welt genutzt zu haben. Das Systembietet zwar, etwa zur Einrichtung von Altersschranken, eine Einschätzung von Alter und Geschlecht, jedoch nicht der Ethnie. Bei einem Test, durchgeführt von der University of Massachussetts, kam SAFR insgesamt auf eine Erkennungsrate von 99,8 Prozent. Ob es Abweichungen bei der Erkennung dunkelhäutiger Menschen gibt, wurde nicht erprobt.

Sinnhaftigkeit wird bezweifelt

Datenschützer und Experten fordern klare gesetzliche Regularien für den Einsatz von Gesichtserkennung. "Die Technologie kann deine Fotos katalogisieren und dabei helfen, Familien zusammenzuführen – oder potenziell von Privatfirmen und staatlichen Behörden missbraucht werden", sagt etwa der hochrangige Microsoft-Manager Brad Smith.

Levinson-Waldman stellt die Nützlichkeit von Gesichtserkennung an Schulen generell in Frage. Denn in den meisten Fällen hätte die Technologie die Amokläufe wohl gar nicht verhindert. Der Vorfall in Parkland, wo ein ehemaliger Schüler bewaffnet auf das Schulgelände eindrang, ist eine der wenigen Ausnahmen. In den meisten Fällen handelte es sich bei den Tätern um Schüler, die ohnehin berechtigt gewesen wären, das Gebäude zu betreten. (red, 17.07.2018)