Rache und schnelles Geld im Internet sind die Hauptmotivation für Hacker und Internetbetrüger.

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Er ist 50 Jahre alt, hat eine Hochschule besucht und ist in seinem Unternehmen im IT-Bereich tätig. Als er gekündigt wird, sinnt er auf Rache: Mithilfe von Schadsoftware sabotiert er das Computersystem des Betriebs. Zusätzlich verschafft er sich Zugang zu Firmendaten, um sie der Konkurrenz zuzuspielen. Der Fall ist einer von 399 Cyberkriminalitätsfällen, die in den Jahren 2006 bis 2016 am Wiener Straflandesgericht verhandelt wurden.

Cyberkriminalität wird ein immer größeres Thema für Österreichs Polizei und Justiz. Laut Bericht des Innenministeriums stieg die Zahl der Anzeigen allein von 2015 auf 2016 um mehr als 30 Prozent auf über 13.000. In vielen Fälle, etwa bei Erpressungssoftware, sogenannter Ransomware, kann man der international agierenden Täter kaum habhaft werden.

Auf Basis von Wiener Gerichtsakten

Jene 399 Fälle, die zwischen 2006 und 2016 vor Gericht kamen, haben Forscher der Donau-Universität Krems genauer unter die Lupe genommen, um wiederkehrende Muster zu identifizieren. Studienleiterin Edith Huber und ihre Kollegen haben, unterstützt vom Sicherheitsforschungsprogramm Kiras des Verkehrsministeriums und der Förderagentur FFG, drei typische Täterprofile aus den Daten extrahiert. Die Arbeit soll helfen, besser zu verstehen, wer die Menschen sind, die Computersysteme für kriminelle Machenschaften nutzen. Dazu wurde analysiert, welche Kombination von Ermittlungsmethoden in den jeweiligen Fällen zum Erfolg führte.

Der 50-jährige IT-Spezialist gehört dabei zu einem Typus, den die Forscher den Businessman nennen. "Es ist ein Täterbild, das vor zehn Jahren in Österreich noch kaum zu beobachten war, sich in den letzten Jahren aber massiv herausgebildet hat", erklärt Huber. Die Verbindung von persönlichen Motiven mit meist guter Ausbildung macht diese Tätergruppe gefährlich: "Sie zeigt bei den Delikten ein komplexeres Vorgehen, plant Taten langfristig und wählt die Opfer sorgfältig aus", charakterisiert Huber.

Einen zweiten Typus von ausschließlich weiblichen Cyberkriminellen haben die Forscher als Hausfrau tituliert. Huber nennt das Beispiel einer 22-jährigen Täterin – Österreicherin mit Matura, keine Vorstrafen -, die während ihrer Karenz einen Fehler im Onlinesystem ihrer Bank entdeckt und unrechtmäßig Geld abbucht.

Von einem dritten Typus, dem männlichen Perspektivlosen, unterscheidet sich die Hausfrau dadurch, dass sie im Durchschnitt etwas älter ist. Gemein ist ihnen eine vorherrschende finanzielle Motivation. "Bei beiden Typen zeigt sich, dass sich immer mehr Alltagskriminalität ins Internet verschiebt", resümiert Huber.

Alkohol- und Spielsucht

Der Perspektivlose ist der häufigste Typus, der mehr als die Hälfte der Fälle ausmacht. Ein Fall handelt von einem 19-Jährigen: Hauptschulabschluss, ohne Beschäftigung, gewalttätiger Vater. Der junge Mann, der bereits eine Vorstrafe wegen eines Gewaltdelikts hat, knackt mit seinem Bruder das Passwort für einen Zugang zu einem Onlineglücksspiel und spielt um das Geld anderer Leute. Psychologen attestieren dem Täter Alkohol- und Spielsucht.

Die Typenanalyse basiert auf einem statistischen Verfahren, das Alter, Geschlecht, Bildung und Beschäftigungsverhältnis der Täter berücksichtigt und in Cluster gruppiert. Sie zeigt unter anderem, dass die landläufigen, medial oft verbreiteten Bilder von Cyberkriminellen – etwa der jugendliche Hacker, der in Firmennetzwerke eindringt – ein relativ wenig häufiger beziehungsweise selten aufgeklärter Tatbestand sind. "Die Fälle gibt es, sie sind aber nicht die Regel", betont Huber. "Im überwiegenden Teil der Fälle handelt es sich um Identitätsdiebstähle – vom Online-Einkauf unter falschem Namen bis zum Geldabheben mit fremder Bankkarte."

Der Businessman

Dieser Typ von Tatverdächtigen im Bereich der Cyberkriminalität ist ausschließlich männlich, im Durchschnitt 35 Jahre alt und hat im Vergleich zu den anderen Typen den höchsten Bildungsabschluss: Fast ein Drittel hat eine Hochschule absolviert, 26 Prozent haben Maturaniveau. Rund die Hälfte hat ein reguläres Arbeitsverhältnis. Der Businessman möchte sich mit Mitteln der Cyberkriminalität finanzielle oder andere Vorteile verschaffen oder einer Organisation aus persönlichen Motiven schaden. Er wurde vielleicht bei der Beförderung übergangen oder fühlt sich in anderer Weise ungerecht behandelt. Etwa 31 Prozent der Fälle sind diesem Typus zuzurechnen.

Die Hausfrau

Diese Gruppe an Tatverdächtigen ist weiblich und durchschnittlich 32 Jahre alt. Jede zweite dieser Frauen hat keine Matura, ein kleiner Teil von sechs Prozent hat einen Hochschulabschluss. Die Betitelung des Typus ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die Frauen bei einem Großteil der Fälle außerhalb eines regulären Beschäftigungsverhältnisses, in Karenz oder auch in Pension befinden. In sehr vielen Fällen ist die Geldbeschaffung das vorherrschende Tatmotiv. Illegale Überweisungen oder illegale Zugriffe auf Online-Einkaufsportale gehören zu den häufigen Delikten. Der Typus der Hausfrau umfasst insgesamt etwa 18 Prozent der untersuchten Fälle.

Der Perspektivlose

Diese männliche Gruppe ist durchschnittlich 30 Jahre alt, hat zumeist einen Bildungsgrad unter Maturaniveau und geht keiner regulären Beschäftigung nach. Ein großer Teil der Gruppe besteht aus Jugendlichen unter 20 Jahren. Oft geben schwierige Familienverhältnisse oder Suchterkrankungen den Hintergrund für die Straftat. Cyberkriminalität ist hier ein Mittel, um an schnelles Geld zu kommen. Ähnlich wie beim Typus Hausfrau geht es auch hier oftmals um Identitätsdiebstahl und die illegale Aneignung von Zugangsdaten für Onlineservices. Der "Perspektivlose" beschreibt die mit Abstand größte Tätergruppe: 51 Prozent der Fälle sind dem Typus zuzuordnen. (Alois Pumhösel, 18.7.2018)