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Ulrich Lehner ist nicht mehr: Mit Ende des Monats wird der 72-jährige Aufsichtsratschef des deutschen Industrieunternehmens Thyssenkrupp zurücktreten. Lehner kritisierte vor allem die mangelnde Unterstützung durch die großen Aktionäre.

Foto: Reuters / THILO SCHMUELGEN

Wien – Was haben der AC Milan und der deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp gemeinsam? Beide haben ihre Glanzzeiten bereits hinter sich, beide stecken in einem Umbau, bei beiden mischen aktivistische Hedgefonds rund um die US-amerikanische Anlagegesellschaft Elliott mit. Chef und Gründer von Elliott ist Paul Singer, der mit seinem Fonds ein 34 Milliarden Dollar schweres Kapital verwaltet.

Aktivistische Hedgefonds wie jene von Singer sichern sich nicht nur Anteile eines Unternehmens, sondern versuchen auch, Einfluss auf das Management zu nehmen und den Entwicklungsprozess mitzubestimmen: Meist geht es darum, einzelne Konzernteile abzuspalten oder Fusionen voranzutreiben, um den Aktienkurs nach oben zu treiben, um dann mit hohen Gewinnen auszusteigen. Ziele sind vor allem unterbewertete und schwach geführte Unternehmen, vermehrt auch aus Europa, seit der Markt in den USA stark abgegrast ist.

Chefs werfen das Handtuch

Die Spannungen, zu denen Aktivisten wie Elliott beitragen können, lassen sich aktuell gut am Beispiel Thyssenkrupp ablesen: Nachdem bereits dessen Chef, Heinrich Hiesinger, Anfang Juli seinen Rücktritt angekündigt hat, geht nun auch der Chef des Aufsichtsrats, Ulrich Lehner.

Das Vertrauen der großen Aktionäre sei heute nicht mehr gegeben, begründete Lehner seinen Schritt. Bereits in den vergangenen Wochen hatte er einzelne Investoren scharf kritisiert: Sie hätten viel getan, um den Industriekonzern zu destabilisieren. Die Vorgangsweisen einzelner Akteure könnten gar als "Psychoterror" bezeichnet werden, weil Manager bedrängt und in der Öffentlichkeit Unwahrheiten gestreut werden würden.

Umbau zu langsam

Druck hatte neben Elliott vor allem der schwedische Finanzinvestor Cevian aufgebaut. Ihm gingen die Umbauarbeiten bei Thyssenkrupp nicht weit genug. Cevian forderte, die Aufzugssparte zu verkaufen, welche Lehner wiederum als Kern des Betriebs sah. Mehr Performance und weniger Bürokratie – industrielle Logik statt Emotionen und Tradition, so lautet Cevians Mantra.

Für die Privatanleger sind die Machtspiele der Aktivisten zunächst positiv: Die seit Jahren eher dahindümpelnde Aktie von Thyssenkrupp legte am Dienstag zeitweise um mehr als acht Prozent zu – vor allem, weil auf eine Zerschlagung des Konzerns gewettet wird.

Kurzfristiger Erfolg

"Die Frage beim Einfluss von aktivistischen Hedgefonds ist, ob die Maßnahmen auch langfristig Sinn machen", meint Andreas Hampel von der Unternehmensberatung Deloitte. Oft liege der Fokus auf einer bestimmten Änderung, die kurzfristig Gewinne bringt.

Allerdings könnte bei Thyssenkrupp bei der Frage des Umbaus neben Cevian und Elliott nun ohnehin der Krupp-Stiftung das entscheidende Mitwirkungsrecht zukommen, heißt es aus Insider-Kreisen. Die Stiftung ist mit 21 Prozent größter Einzelaktionär, in der Vergangenheit habe sie in Fragen des Umbaus jedoch keine eindeutige Haltung eingenommen. Dem Konzern stehen womöglich unruhige Zeiten bevor. (Jakob Pallinger, 18.7.2018)