Lauschiger Garten, bürgerliche Wiener Küche, Weinkeller mit Überraschungen: So lohnt sich die Reise in die Wiener Vorstadt!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Geröstete Eierschwammerln mit wachsweichem Ei.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer den langen Weg nach Neuwaldegg mit dem 43er abrattert, den steilen Pfad zum Freibad erklimmt, sich den Eintrittspreis (aktuell 13 Euro für die Nachmittagskarte) ohne Murren abknöpfen lässt, den gefüllten Paprika vom Buffet samt seiner sagenumwoben pickerten Paradeissauce aber dennoch verpasst ("schon lang aus!") und nach ein paar Längen entsprechend vom Fleisch fallt – der hat sich die Einkehr beim Herkner redlich verdient.

Drinnen ist alles sehr mondän, der Crémant ploppt aus allen Rohren, und man ist verleitet, diesen einst als bestes Wirtshaus der Stadt gefeierten Ort in die allzu schicke Schublade zu schieben. Sitzt man aber erst einmal im Pawlatschenhof, schaut den Sonnenstrahlen beim Langwerden zu und dem Commis beim Hin-und-her-Wuseln zwischen hofseitigem Kühlhaus und Küche, dann will man wieder glauben, dass es hier eh recht handfest zugeht. Huscht der junge Mann doch mit steigenweise frischen Steinpilzen in die Küche, von denen auf der Speisekarte nix zu lesen ist, und gleich darauf mit einer Kiste rosiger Marillen, die kaum eine halbe Stunde später in Knödelteig gehüllt und akkurat geschlichtet wieder retour gehen. So verspricht das ein vergnüglicher Abend zu werden.

Das Weitra ist tadellos gezapft, das Brot knusprig, die Steinpilze werden auf Rat des Wirten Martin Pichlmaier sowohl gebacken als auch "vom Rost" geordert, dürfen aber erst als Zwischengericht zu Tisch. Eierschwammerln gehören sich nämlich davor, hinterher hätten sie keine Chance, da können sie noch so knackig sein (sind sie), kurz und entschlossen geröstet (detto), mit einer Idee Estragon versehen und mittels ideal wachsweichen Eies ins Cremige hinübergeführt (siehe Bild). Gefüllte Zucchiniblüten sind mindestens so gut, mit einer Farce aus Kalbsbries und viel Obers zu flauschiger Geilheit aufgeputzt, und dank Austernkraut von einer rein vegetarischen, aber umso verblüffenderen, saftig jodigen Meeresbrise umweht.

Bálint Magyar, der neue Küchenchef, hat's also drauf. Der Mann kann auch Steinpilze superknusprig panieren, ohne ihr göttliches Aroma zu vergewaltigen. In dicken, saftigen Scheiben kommen die zu Tisch – Sauce tartare gibt es dazu, die lässt man aber besser im Tiegel. In der Variante vom Rost sind sie noch um eine Klasse besser – auch wenn buttrige Schlieren auf dem Teller allfällige Zweifel beseitigen, dass sie in Wahrheit aus der Pfanne kommen.

Geh, Fleck!

Krautfleckerln sind hier eine Bank, aus festen, dottergelben Fleckerl-Pletschen und ganz langsam karamellisiertem Kraut. Wer sich einen kargen, würzigen Weißen dazu wünscht, bekommt mit Glück Weißburgunder aus der Steiermark, wie er ihn noch nie gekostet hat: von Goedwinemakers, dem Gamlitzer Gut eines Holländers, von kristalliner Kraft und expressiver Säure – der stellt die noblen Fleckerln auf ein prächtiges Podest.

Kalbsleber mit fruchtig geschmorten Zwiebeln ist sehr gut, das Erdäpfelpüree dazu kann es auch, ein Viognier von Kurt Angerer aus dem Kamptal liefert subtilen Schmelz dazu. Nicht alles geht Pichlmaier und Magyar derart souverän von der Hand. Beim Beuschel, einer dickrahmigen, kaum pikanten Verirrung, sollten sie sich schleunigst mit Heinz Herkners Rezept vertraut machen. Und der Schweinebauch mag knusprig sein wie nur und saftig dazu – ein fettiges Steinpilzgröstl will man sich zu so einer Derbheit sicher nicht an die Galle schmiegen. Heiliger Kraut- und Kohlrabisalat, bittet für uns! Dafür platzen die Marillenknödel samt musterknusprigen Zimtbröseln vor magyarischer Expertise. Am Wochenende gibt's Buchteln mit Kanarimilch, aber da ist halt das Bad so voll. (Severin Corti, RONDO, 20.7.2018)