Die ganze Welt soll wissen, wer wir Jesiden sind und was uns der 'Islamische Staat' angetan hat", sagt Lewiza in der ARD-Doku "Sklavinnen des IS – Suche nach Gerechtigkeit".

Foto: SWR/Oxford Films

Jesidin Dalal ist mit einem Hilfsprogramm des Landes Baden-Württemberg nach Deutschland gekommen.

Foto: SWR/Oxford Film

Im Sommer 2014 sind Dalal und Lewiza zwei gutbehütete jesidische Teenager, die am Fuße des Sindschar-Gebirges im Norden des Iraks leben. Die Kämpfe in Syrien und das Vorrücken der Soldaten des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) verfolgen die Mädchen im Fernsehen. Und auch als die Kampfhandlungen in Hörweite sind, können sie nicht glauben, dass Krieg und Schrecken zu ihnen kommen. In letzter Sekunde fliehen sie mit Tausenden ihrer Volksgenossen in die Berge, doch es ist zu spät. Dalal und Lewiza werden von den Schergen des IS gefangen genommen und nach Syrien gebracht. Dort werden sie monatelang vergewaltigt, gefoltert und immer wieder als Sklavinnen weiterverkauft.

Für den Dokumentarfilm Sklavinnen des IS – Suche nach Gerechtigkeit am Mittwoch, 22.45 Uhr, in der ARD sprechen sie über das unvorstellbare Leid, das sie und tausende andere jesidische Frauen und Mädchen in Gefangenschaft erlitten haben und noch erleiden. Ihre bewegenden Erzählungen wechseln sich mit Propagandamaterial des IS ab, dazwischen sind auch Aufnahmen aus irakischen Flüchtlingslagern und aus dem jesidischen Heiligtum Lalish im Nordirak zu sehen.

Kobalt Productions

Schutzprogramm

Immer wieder betont der Filmautor Phillipe Sands, wieso die Aussagen der beiden Jesidinnen für die gerechte Bestrafung der IS-Söldner wichtig sind. Der Schriftsteller und Jurist beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sands setzt darauf, dass die Täter des IS nicht per Kampfdrohnen getötet, sondern vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden sollten. Diese Gerechtigkeit soll den vergewaltigten und gefolterten Frauen bei der Genesung helfen und den Jesiden dazu verhelfen, als eigenständige Gemeinschaft mit Daseinsberechtigung akzeptiert zu werden.

Lewiza und Dalal würden gegebenenfalls auch vor dem Gericht aussagen, derweil reden sie mit Psychologen in Deutschland. In einer großangelegten humanitären Aktion wurden sie und weitere rund 1000 jesidische Frauen und Kinder direkt aus dem irakischen Flüchtlingslager nach Baden-Württemberg geflogen. Hier hat Jan Ilhan Kizilhan, Psychiater und Traumatologe mit jesidisch-kurdischen Wurzeln, ein Schutzprogramm mit intensiver psychologischer Betreuung eingerichtet. Hier soll den Frauen und Kindern geholfen werden, ihre hochtraumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Parallel dazu laufen klassische Integrationsbemühungen wie etwa Deutschkurse, Weiterbildung und gescheiterte Versuche, das deutsche Schwarzbrot gut zu finden.

Die Welt schaut hin

Während sie in ihrer Flüchtlingsunterkunft in einem improvisierten Ofen Fladenbrot bäckt, erzählt Dalal von der Hoffnung, ihre Mutter noch einmal sehen zu können. Diese und Dalals kleine Schwester sind ebenfalls vom IS entführt worden. Seit 2014 hat sie keine Nachricht von ihnen.

Im August 2014 stand das Schicksal der Jesiden im Zentrum der Weltöffentlichkeit. Die Bilder und Videos von ausgehungerten und geschwächten Frauen und Kindern, die per Hubschrauber aus dem Sindschar-Gebirge ausgeflogen wurden, gingen um die Welt. Seitdem ist es stiller um sie geworden.

Unfassbare Stärke

Dass tausende jesidische Frauen und Mädchen in den Tagen davor systematisch vergewaltigt und entführt wurden, war anfangs nur ein vages Gerücht. Erst als Monate später die Ersten fliehen konnten oder von ihren Familien freigekauft wurden, drangen die Geschichten ihres Martyriums an die Weltöffentlichkeit.

Das Schicksal von Lewiza und von Dalal, die anfangs unter dem Pseudonym "Shirin" vor die Kamera tritt, zeugt von unvorstellbarer menschlicher Grausamkeit, aber auch von unfassbarer Stärke der beiden Protagonistinnen. Der Film begleitet die jungen Frauen bei ihrem Versuch, das Erlebte zu verarbeiten und in Deutschland Fuß zu fassen. Bisher ist lediglich ein Dutzend Frauen aus dem Schutzprogramm in den Irak zurückgekehrt. Auch Lewiza und Dalal wollen bleiben und eine Ausbildung machen. Dalal will Rechtsanwältin werden, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. (Olivera Stajić, 18.7.2018)