Bei der Unterzeichnung des EU-Japan-Handeslabkommens: EU-Ratspräsident Donald Tusk, Japans Premier Shinzo Abe und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

AFP

Es ist ein Pakt der Superlative, zumindest wenn es nach den Beteiligten geht. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach nach der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens der EU mit Japan in Tokio von einem "Meilenstein" für den Welthandel und von einem "historischen Tag" für Europa.

Eine Spitze in Richtung von US-Präsident Donald Trump, der zusehends auf Protektionismus setzt, gab es auch: "Zusammen geben wir eine Erklärung über die Zukunft des freien und fairen Handels ab. Wir zeigen, dass wir stärker und besser dastehen, wenn wir zusammenarbeiten", sagte Juncker am Dienstag nach dem Termin.

Aber stimmt das? Die EU-Kommission verwendet aktuell viel Zeit und Energie darauf, bilaterale Handelsabkommen auszuhandeln. Nach Verträgen der EU mit Südkorea folgten solche mit Singapur, Kanada und nun Japan. Aktuell laufen zahlreiche Verhandlungen, unter anderem mit Australien, Neuseeland, Chile und Mexiko.

Zollsenkungen für Schweine, Käse und Autos

Während frühere Verträge nur ausgewählte Zollsenkungen vorsahen oder die Kooperation in einigen Bereichen verstärkt wurde, sind die Verträge der neuen Generation umfangreicher. Das Abkommen mit Japan etwa wird 99 Prozent der bestehenden Zölle zwischen den beiden Wirtschaftsregionen abschaffen.

In vielen Wirtschaftszweigen waren die Tarife schon null, in anderen nicht. So wird Japan seinen Agrarmarkt öffnen: Die Zölle für Schweineimporte werden über die kommenden 15 Jahre von 40 auf neun Prozent fallen. Bei Käse ist es ähnlich. Im Gegenzug dazu streicht die EU die Zölle auf japanische Autos in der Höhe von aktuell zehn Prozent.

Darüber hinaus werden Produktzulassungen erleichtert. Pkws aus Europa werden auf Japans Straßen künftig fahren dürfen, ohne dass sie dort extra Sicherheitstests absolvieren müssen. Eine Reihe von Gremien werden errichtet, die etwa dafür sorgen sollen, dass Lebensmittel aus der jeweils anderen Region schneller auf den Markt kommen können.

Nicht nur Gewinner

Doch mehr Handel bringt nicht nur Gewinner hervor. Steigt der Wettbewerb, werden Firmen aus dem Markt gedrängt. Menschen verlieren ihre Jobs. In der EU entfällt der größte Anteil des Handels, zwei Drittel, auf innereuropäische Geschäfte. Für Europa ist es wichtig, dass es in der EU gut läuft. Der Außenhandel spielt im Vergleich dazu eine geringere Rolle.

Die Globalisierung hat schließlich neue Wertschöpfungsketten unabhängig von Handelsverträgen geschaffen. Japans größter Autobauer Toyota produziert zwei von drei Pkws für den europäischen Markt auf dem Kontinent. Vielen Toyota-Käufern bringt die Zollsenkung also nichts.

Doch das heißt nicht, dass Handelsabkommen keine positiven Auswirkungen haben. Das lässt sich am Beispiel des ersten Abkommens der neuen Generation zeigen: am Vertrag der EU mit Südkorea, der seit 2011 in Kraft ist.

Die EU-Kommission feiert den Pakt, weil Ausfuhren von Pkws, Maschinen und anderen Waren in das asiatische Land stark zugelegt haben. Das Plus beträgt mehr als 70 Prozent seit 2010. Mehr Exporte bringen im Idealfall mehr Jobs und mehr Investitionen. Die Importe aus Korea sind zudem weniger stark gestiegen. So konnte die EU ihr milliardenschweres Handelsdefizit mit dem asiatischen Land abbauen.

Doch mit ihrer Argumentation macht es sich die EU-Kommission zu leicht. Handelsströme werden von vielen Faktoren bestimmt. Die Wirtschaft hat sich zuletzt erholt, was den EU-Außenhandel insgesamt steigen ließ. Währungsschwankungen sind bedeutend: Südkoreas Leitwährung Won hat gegenüber dem Euro seit 2010 gut 15 Prozent an Wert gewonnen. In Europa gekaufte Autos und Maschinen wurden für Südkoreaner damit deutlich billiger.

Wer wissen will, was das Handelsabkommen mit Südkorea wirklich gebracht hat, muss versuchen, Währungseffekte herauszurechnen, und Vergleichsgruppen analysieren. Das haben Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts im Rahmen einer umfangreichen Studie im Auftrag der Kommission getan.

Dabei haben die Ökonomen zunächst festgestellt, dass EU-Exporte nach Japan und Taiwan, also in zwei ähnlich aufgestellten Volkswirtschaften wie Korea, über die vergangenen Jahre ebenfalls zugelegt haben, aber nicht so stark wie im Fall Koreas. In Asien kommt China noch auf ähnlich hohe Steigerungsraten, aber Chinas Wirtschaft wächst seit Jahren im Rekordtempo, das Land ist ein besonderer Fall.

Ein Plus, kein großer Sprung

Die Ökonomen haben die Effekte der Währungsschwankungen in einem zweiten Schritt herausgerechnet und kamen dann zu einem eindeutigen Ergebnis: Ja, das EU-Korea-Abkommen hat substanzielle Exportsteigerungen gebracht. Sie fallen aber tendenziell weniger spektakulär aus, als die Zahlen auf den ersten Blick glauben machen. Die EU hat tendenziell mehr profitiert als Korea.

Wobei es Unterschiede von Sektor zu Sektor und Land zu Land gibt. Das deutliche Plus bei Ausfuhren gab es aus europäischer Sicht für Automobilhersteller, Korea hatte hier hohe Zölle. Stark zugelegt hat auch der Agrarsektor.

Die größten Steigerungen in der Wertschöpfung hatten Maschinenbauer und wieder der Agrarsektor. Die Wertschöpfung in der Automobilindustrie dagegen hat stagniert. Der Grund: Es gab auch hier Verlierer. Südkoreas Autobauer sind in Europa ebenfalls aktiv. Nachdem die Zölle für Auto- und Autoteile weggefallen sind, haben koreanische Unternehmen in Europa begonnen, mehr Pkw-Teile zu importieren. Damit wurden europäische Produzenten verdrängt.

Interessant ist, dass viele europäische Unternehmen das Südkorea-Abkommen gar nicht nutzen, wenn sie Waren und Dienstleistungen ausführen. Nur rund Zwei Drittel der Ausfuhren aus der EU nach Südkorea finden im Rahmen des Vertrags statt. Viele Unternehmen zahlen lieber etwas höhere Zölle. Warum?

Regeln für den Freihandel

Handelsabkommen bedeuten nicht, dass es keine Regelungen für Warenaustausch gibt – die Regen werden im Grunde primär geändert. So müssen Unternehmen oft kompliziert nachweisen und dokumentieren, dass ihr Produkt mehrheitlich in Europa hergestellt wurde, um es zollfrei nach Südkorea exportieren zu können. Viele Firmen schreckt offenbar der Aufwand ab, die nehmen lieber einen niedrigen Zoll in Kauf.

Insgesamt sind Nettowohlstandsgewinne durch den Handelsvertrag mit Südkorea vorhanden, aber sie fallen recht bescheiden aus. Pro Kopf zum Beispiel ist die Wirtschaftsleistung in Österreich um rund zwölf Euro gestiegen.

In Deutschland waren es 19 Euro, in Frankreich zehn. Im Schnitt ist die Wirtschaftsleistung der EU kumuliert um 0,4 Prozent gestiegen. Das Abkommen der EU mit Japan dürfte laut Gabriel Felbermayr vom Ifo ähnliche Auswirkungen haben, weil die Startbedingungen sehr ähnlich sind. Im Falle Kanadas wird das Plus etwas kleiner ausfallen, da Kanada und die EU bereits stärker verschränkt sind, so Felbermayr.

Die Ifo-Untersuchung brachte noch ein interessantes Ergebnis: Trotz des gestiegenen Handelsvolumens zwischen der EU und Kanada ist der weltweite CO2-Ausstoß durch den Pakt zurückgegangen. Die EU importiere jetzt mehr Stahl aus Südkorea, dafür weniger aus China. Die Produktion in Korea ist "sauberer" im Vergleich zu jener in China, so Felbermayr. (András Szigetvari, 18.7.2018)