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Siegerpose am Prespes-See: Der mazedonische Premier Zoran Zaev (li.) und sein griechischer Kollege Alexis Tsipras feierten im Juni die Unterzeichnung eines Abkommens, das den seit Anfang der 1990er-Jahre dauernden Namensstreit zwischen beiden Ländern beendete. Mazedonien kann nun auch der Nato und der EU beitreten – sofern das Abkommen nun auch in beiden Ländern ratifiziert wird.

Reuters / Alkis Konstantinidis

Manche haben gezögert, weil sie sich nicht vor den Karren der nominell linksgerichteten Regierungspartei Syriza spannen lassen wollten. Am Ende aber siegte wohl der Gemeinsinn: Mehr als 320 griechische Künstler, Autoren und Uni-Professoren unterstützten in einer öffentlichen Erklärung das Abkommen mit dem Nachbarland Mazedonien. "Wir, die links orientierten, demokratischen, progressiven Bürger, sind gegen Nationalismus und Revisionismus", heißt es in dem von der Regierung formulierten Aufruf.

Wochenlang hatte der linke Teil der Koalitionsregierung das Papier zirkulieren lassen und Unterstützer gesammelt. Der rechte Juniorpartner in der Regierung von Alexis Tsipras ist ja gegen das Prespes-Abkommen, das die Außenminister beider Länder Mitte Juni am gleichnamigen See in Mazedonien unterzeichnet hatten. Dies beendete einen mehr als zwei Jahrzehnte langen Streit um den Namen Mazedoniens.

"Monster des Faschismus"

Der neu gefundene Name "Nord-Mazedonien" entspreche vollständig der griechischen Position und schreibe diese sogar für die Zukunft fort, heißt es in der am vergangenen Wochenende veröffentlichten Erklärung. "Es ist der einzige Weg, um den Irredentismus auf dem Balkan ein für alle Mal auszulöschen", so lässt die griechische Regierung ihre Unterstützer sagen. Die Stellungnahme sei wichtig, um dem "Monster des Faschismus" in Griechenland entgegenzutreten. Zu den Unterzeichnern gehören der Schauspieler Giorgos Kimoulis, der Historiker Antonis Liakos, der künstlerische Direktor der Nationaloper, Giorgos Koumentakis, und der Komponist Notis Mavroudis.

Das Abkommen vom vergangenen Juni zur Beilegung des Namensstreits mit Mazedonien hat nicht nur die rechtsgerichteten Kräfte in Politik und Gesellschaft gestärkt. Zuletzt kam auch noch die russische Regierung ins Spiel. Die bisher so moskaufreundliche Regierung in Athen wies zwei niedrigrangige russische Diplomaten aus und untersagte die Einreise zweier weiterer. Russland soll versucht haben, mit Bestechungen die Demonstrationen in Griechenland gegen Verhandlungen mit dem kleinen Nachbarland anzufeuern.

Nato-Beitritt

Die Einigung auf den Namen "Nord-Mazedonien", wie sie in einem Abkommen am Prespes-See zwischen den Außenministern beider Länder vereinbart worden war, öffnete Skopje den lang ersehnten Weg zur Aufnahme in die Nato. Dies ist nicht im Interesse Moskaus.

Ähnlich versucht offenbar auch die türkische Regierung Einfluss zu nehmen und eine Integration Mazedoniens in Nato und EU zu verhindern. Dies würde Ankaras Möglichkeiten schmälern, im alten osmanischen Herrschaftsgebiet auf dem Balkan vor allem durch wirtschaftliche Investitionen politische Abhängigkeiten zu schaffen. So stieß der US-griechische Politikwissenschafter Nikolas Katsimpras unlängst auf eine in Washington neu registrierte Lobbygruppe mit dem Namen "Macedonia Political Action Committee" (Macpac); als deren Gründerin firmiert die Direktorin eines lange bekannten türkischen Lobbyistenvereins in den USA, der Türkischen Koalition Amerikas (TCA).

Parteiausschluss

Die Gegner des Mazedonien-Abkommens, vor allem in der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), bringen diese russisch-türkischen Einmischungen in Verlegenheit. Die griechische Wirtschaft, die traditionell mit der ND verbunden ist, plädiert ohnehin für eine Normalisierung mit dem Nachbarstaat. Das macht die Situation für den an sich liberal gesonnenen Parteivorsitzenden Kyriakos Mitsotakis noch unkomfortabler.

Im Vormonat schloss die ND gar den Präsidenten der Athener Industrie- und Handelskammer, Konstantinos Michalos, aus. Er unterstützt das Mazedonien-Abkommen mit Blick auf den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Nachbarland im Norden. "Trojanische Pferde haben in der Nea Dimokratia keinen Platz", hieß es jedoch zur Begründung vom Disziplinarausschuss der Partei.

Volatile Umfragen

Mitsotakis warf sich der Parteirechten in die Arme, um eine Spaltung der ND wegen der Mazedonienfrage zu verhindern. Ob das von den Stammwählern der konservativ-bürgerlichen Partei goutiert wird, ist zweifelhaft. Der große Vorsprung von zehn Prozentpunkten, den die ND in Umfragen seit eineinhalb Jahren gegenüber der linksgerichteten Regierungspartei Syriza hält, scheint bereits zu schmelzen. Eine Umfrage im Auftrag der Wochenzeitung "Documento" Anfang des Monats ergab einen Unterschied von nur noch 4,6 Prozent zwischen ND und Syriza. Gleichzeitig hielt eine Mehrheit der Befragten weder Tsipras noch Mitsotakis als für das Amt des Premiers qualifiziert.

Nichts deutet derzeit auch auf einen Meinungsumschwung in der griechischen Bevölkerung wegen Mazedonien hin. Rund zwei Drittel der Befragten sprechen sich in Umfragen regelmäßig gegen eine Lösung aus, bei der die Griechen nicht mehr allein den Namen "Mazedonien" für ihre Region im Norden beanspruchen könnten. Ein Referendum über das Abkommen mit Skopje könnte Regierungschef Alexis Tsipras unter diesen Umständen kaum gewinnen. Eine Abstimmung im Parlament mit der dafür notwendigen verfassungsändernden Dreifünftelmehrheit von 180 Stimmen scheint der einzig gangbare Weg.

Fahrplan in Skopje

Ob es dazu überhaupt kommt, hängt zunächst vom Ausgang der Ratifizierung des Prespes-Abkommens in Mazedonien ab. Ein Volksentscheid ist dort für Oktober anvisiert. Die Umsetzung der Verfassungsänderungen soll bis Mitte Jänner 2019 abgeschlossen sein. Erst dann kämen die Politiker in Athen zum Zug.

Tsipras selbst hat dabei mindestens ebenso große Probleme wie sein Kontrahent Mitsotakis. Denn der Juniorpartner in der Regierung, die rechtspopulistische Kleinpartei Anel (Unabhängige Griechen) von Verteidigungsminister Panos Kammenos, ist ebenfalls gegen das Prespes-Abkommen. Es sei schlecht und er werde es blockieren, kündigte Kammenos an.

Neuwahlen absehbar

An einem Bruch der Koalition hat der bullige Parteichef allerdings kein Interesse. Den Umfragen zufolge schafft Anel derzeit nicht einmal den Sprung über die Dreiprozenthürde für den Wiedereinzug ins Parlament. Vorgezogene Neuwahlen in Griechenland sind nun gleichwohl absehbar.

Mit dem Ende des Kredit- und Sparprogramms im nächsten Monat hat die Links-rechts-Koalition ihre gemeinsame Basis erschöpft. Der Dissens über das Mazedonien-Abkommen kommt nun hinzu. Tsipras visiert einen Wahltermin gleichzeitig mit den nächsten Europawahlen am 26. Mai nächsten Jahres an, so heißt es aus Regierungskreisen in Athen. Dies würde sowohl seiner Partei Syriza wie dem rechten Partner Anel noch etwas Zeit verschaffen, um Wähler umzustimmen. Eine Abstimmung im Parlament über das Mazedonien-Abkommen und ohne Fraktionszwang könnte dann zuvor anstehen – als Big Bang vor den Neuwahlen. Eine parteiübergreifende Mehrheit mit Stimmen der Syriza, einiger Konservativer, der Bürgerpartei To Potami und der Fraktionslosen im Parlament scheint durchaus möglich. (Markus Bernath, 18.7.2018)