Werkzeuge und Waffenspitzen aus einer Ära vor der Clovis-Kultur.

Foto: Velchoff/The Gault School of Archaeological Research

San Marcos – Bis in die 1980er-Jahre schlossen Archäologen aus prähistorischen Funden, dass die ersten Menschen in der westlichen Hemisphäre der Clovis-Kultur angehörten und vor etwas mehr als 11.000 Jahren Nordamerika besiedelt haben. Die Theorie basierte hauptsächlich auf Artefakten, Werkzeugen und Waffenklingen aus bearbeitetem Feuerstein.

Mittlerweile weisen immer mehr Skelett- und Artefaktfunde darauf hin, dass die frühesten Siedler die Landbrücke Beringia zwischen Sibirien und Alaska mehrere Tausend Jahre früher überquert haben dürften. Derzeit gehen die meisten Hypothesen davon aus, dass eine erste Einwanderungswelle entlang der Küsten vor höchstens 15.000 Jahren stattgefunden hat. Aktuelle Untersuchungen in Texas stellen diese Annahme nun allerdings in Frage.

Jahrtausende älter

Ein Team um Thomas Williams von der Texas State University in San Marcos hat Werkzeuge von der Gault Site einer genauen Analyse unterzogen und mithilfe der Lumineszenz-Methode datiert. Das Ergebnis widerspricht weitgehend bisherigen Funden: Die an dem archäologischen Ausgrabungsort 65 Kilometer nördlich von Austin freigelegten Steinklingen sind demnach 16.000 bis 20.000 Jahre alt – und entstanden damit weit früher als alles, was bisher an menschlichen Artefakten zweifelsfrei datiert worden war.

Die Werkzeuge und Waffenspitzen stammen aus einer Schicht unterhalb früher freigelegter Clovis-Klingen und unterscheiden sich von diesen auch in markanter Weise, meinen die Wissenschafter. "Diese Projektile sind einzigartig. Wir haben bisher nichts Vergleichbares entdeckt", sagt Williams. "Diese Tatsache und unsere Altersanalyse zeigen gemeinsam, dass die Gault Site weit in die Anfänge der Besiedelung Amerikas zurückreicht."

Günstige Lebensumstände

Dass hier von Anfang an Menschen gute Lebensbedingungen vorgefunden haben, sei nicht unwahrscheinlich, so die Forscher: Das Gebiet umfasst ein Tal und, daran angeschlossen, weite Ebenen. Einige Quellen sorgten für eine stabile Wasserversorgung für Mensch und Tier und reiche Feuersteinvorkommen nutzen die Menschen für die Werkzeug- und Waffenherstellung. Die in der Vergangenheit nachgewiesenen Clovis-Überreste belegen die damalige Attraktivität der Region.

Die in tieferen Schichten entdeckten, deutlich andersartigen Klingen sprechen laut der im Fachjournal "Science Advances" veröffentlichten Studie dafür, dass der Mensch mindestens 2.500 Jahre eher Amerika erobert hat, als angenommen. Und sie belegen das Vorhandensein einer bisher unbekannten Kultur in dieser Gegend – lange bevor die Clovis-Menschen hier Fuß gefasst haben. (tberg, 22.7.2018)