Will von Codes und Chiffren des Antisemitismus nichts gewusst haben: Xavier Naidoo.

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Xavier Naidoo, deutscher Popstar mit südafrikanischen, indischen und irischen Wurzeln, darf nicht Antisemit genannt werden. Dagegen hat sich der 46-Jährige erfolgreich vor Gericht gewehrt. Der Antisemitismusvorwurf sei nicht ausreichend belegt worden, daher untersagte Richterin Barbara Pöschl im Landgericht Regensburg einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung am Dienstag bei der Urteilsverlesung, den Musiker als Antisemiten zu bezeichnen.

Im vergangenen Jahr hatte die Referentin der Stiftung gegen Rechtsextremismus am Rande eines Vortrags vor Publikum gesagt: "Er ist Anitsemit, das ist strukturell nachweisbar." In der Gerichtsverhandlung hatte Naidoo den Vorwurf zurückgewiesen und sich auf die Kunstfreiheit berufen. Zudem hatte er darauf hingewiesen, dass er sich gegen Rassismus einsetze, sein Sohn einen hebräischen Namen trage und sein Konzertveranstalter jüdischer Herkunft sei.

Youtube-Kanal Walulis im Mai 2017: Ist Xavier Naidoo Nazi?
WALULIS

Immer wieder wurde der Sänger der Söhne Mannheims, der als Solomusiker einer der erfolgreichsten deutschen Popstars ist, heftig für seine fragwürdigen Liedtexte kritisiert. Aktuell auch von der Referentin, die vor Gericht darlegte, dass Naidoo antisemitische Codes und Chiffren verwende.

Volksverrat und Lügenpresse

Öffentlich heftig kritisiert wurde etwa der Song "Marionetten" aus dem Jahr 2017, in dem sich Naidoo einer Sprache bedient, die Anspielungen auf rechtspopulistische Themen wie "Volksverrat" und "Lügenpresse" vermuten lässt. Eine Sprache, die auch die Reichsbürgerbewegung gern für ihre Verschwörungstheorien benutzt: "Wie lange wollt ihr noch Marionetten sein – Seht ihr nicht, ihr seid nur Steigbügelhalter – Merkt ihr nicht, ihr steht bald ganz allein – Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter."

Die Wutbürgerhymne richtet sich gegen manipulative "Puppenspieler", die im Hintergrund die Fäden der "Marionetten" ziehen – ein altes antisemitisches Klischee, wie Kritiker erkannten. Auch der Begriff "Sachverwalter" ist in diesem Zusammenhang umstritten, da ihn die Reichsbürgerszene, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt, für die handelnden Staatsorgane verwendet. Den Rechten und Reichsbürgern jedenfalls schien der Song zu gefallen, sie teilten und kommentierten ihn fleißig im Netz.

Tagesschau im Mai 2017: Streit um "Marionetten" von Xavier Naidoo.
tagesschau

In seinem Song "Raus aus dem Reichstag" aus dem Jahr 2009 singt Naidoo: "Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel – Der Schmock ist'n Fuchs und ihr seid nur Trottel." Hier ist eine Anspielung auf die jüdische Bankerfamlilie Rothschild praktisch unumstritten. Jüdische Namen zu verunglimpfen war auch zur Nazizeit üblich. "Schmock" wiederum stammt aus dem Jiddischen und beschreibt auf abwertende Weise einen gesinnungslosen Journalisten oder Schriftsteller.

Codes und Chiffren

Ist es nun schlecht getarnter Antisemitismus, den Naidoo hier betreibt? Das Problem ist, dass Antisemitismus nicht immer klar erkennbar ist, denn die Sprache von Rechten und Neonazis wird bewusst so verschlüsselt, dass nicht jeder weiß, was genau gemeint ist. Nur Gleichgesinnte sollen die Botschaften verstehen.

Diese Codes und Chiffren seien ihm nicht bekannt und deren Bedeutung auch nicht bewusst gewesen, so der Sänger vor der Richterin in Regensburg. Auch als die Debatte um seinen Song "Marionetten" entfacht wurde, wehrte sich der Sänger gegen Vorwürfe und erklärte, dass es sich bei dem Lied "um eine zugespitzte Zustandsbeschreibung gesellschaftlicher Strömungen" handle und die Söhne Mannheims und er "für eine offene, freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaft" stünden.

Für sein Verbreiten von Verschwörungstheorien bekam Naidoo vor ein paar Jahren jedenfalls einen Preis verliehen: das "Goldene Brett vorm Kopf", ein ironischer "Negativpreis für den größten anitwissenschaftlichen Unfug des Jahres". In der Begründung heißt es: "Xavier Naidoo wird zur Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungsparanoia endet." (red, 18.7.2018)