"Sie sagten zwei Jahre, doch ich dachte mir, es würden vermutlich drei oder sogar vier Jahre werden."

Foto: Star Citizen

Vor sechs Jahren sahen Sci-Fi-Fans nur noch Sterne vor den Augen: Als Entwicklerlegende Chris Roberts nach vielen Jahren der Auszeit sein neuestes Werk Star Citizen vorstellte, war schon bald die Rede vom Weltraumspiel, das sich Genrefans immer gewünscht hatten. Unendliche Weiten würden als Space-Pirat, Schmuggler, Händler oder Kopfgeldjäger erschlossen werden können. Und fremde Planeten ließen sich entdecken in nicht weniger als 100 Sternensystemen. Und all das würde nicht von lästigen, auf Marketing und Abgabezeiten fokussierten Publishern ermöglicht werden, sondern durch die Fans selbst, die über eine Crowdfunding-Kampagne das Projekt aus eigener Tasche finanzierten.

Leere Versprechen?

Sechs Jahre später kratzt das von Konsumenten gestellte Budget an der 200-Millionen-Dollar-Marke. Doch von den einst versprochenen 100 Sternensystemen ist noch nicht einmal eines fertiggestellt. Das allumfassende Weltraumepos "Star Citizen" ist immer noch nicht mehr als eine Reihe unfertiger Testmodule, die irgendwann zu einem Ganzen zusammengefügt werden sollen. Schuld seien wiederholte Schwierigkeiten in der auf mehrere Studios ausgeweitete Entwicklung, heißt es aus informierten Kreisen, und Managementprobleme.

Fans warten schon so lange und wurden schon so oft auf die Zukunft vertröstet, dass mittlerweile selbst manche der engagiertesten und begeisterten Unterstützer den Glauben an das Projekt verloren haben.

4.500 Dollar investiert

Einer dieser begeisterten Unterstützer der ersten Stunde war Ken Lord. Der US-Amerikaner investierte als Freund kultiger Genrewerke wie "Wing Commander" seit dem Kampagnenstart 2012 nicht weniger als 4.500 Dollar in "Star Citizen". In der Hoffnung, wie einst versprochen einmal mit Freunden durch das riesige Weltraum-MMO fliegen zu können, kaufte er vorab nicht nur das Spiel, sondern auch noch eine ganze Reihe virtueller Inhalte wie Raumschiffe.

"Sie sagten zwei Jahre, doch ich dachte mir, es würden vermutlich drei oder sogar vier Jahre werden. Da es sich um Chris Roberts handelt, dachte ich, er würde schon gut im Griff haben, wie man ein Videospiel entwickelt", sagt der Datenwissenschafter, der für den IT-Konzern SAP in Colorado Programme für künstliche Intelligenz entwickelt, der Seite Motherboard.

"Sie haben herausgefunden, wie man DLC für ein Spiel verkauft, das noch gar nicht existiert"

Doch mit den Jahren verflog nicht nur ein Teil der Anfangseuphorie, sondern änderte sich auch zunehmend die Richtung, in die sich "Star Citizen" entwickelte. Ein echtes Problem für Lord, der aufgrund einer Multiple-Sklerose-Erkrankung nicht jede Art von Spiel spielen kann. "Das größte Problem ist, dass sie (für die Kampagne) Squadron 42 den kooperativen Multiplayerpart gestanzt und Egoshooter-Elemente zu einem zentralen Teil gemacht haben", schreibt Lord in einer E-Mail an den Branchenblog Kotaku. "Damit haben sie etwas hinzugefügt, das ich nicht spielen kann, und etwas gestrichen, bei dem mich zumindest meine Freunde hätten mitnehmen können."

Hinzu kam, dass Lord nicht gefiel, wie Hersteller Cloud Imperium Games Spieler dazu brachte, immer mehr Geld in Star Citizen einzuwerfen. Von virtuellen Raumschiffen, die man zunächst nur ansehen konnte, zu Grundstücken auf Planeten und Monden, die noch gar nicht existierten. Derartige Marketingtechniken hätten Lord abgeschreckt und stutzig gemacht. "Sie haben nicht nur herausgefunden, wie man DLC für ein Spiel verkauft, das noch gar nicht existiert. Sie haben auch herausgefunden, wie man das unkontrollierte Wachstum des Projekts selbst verkauft."

Abgespeist

Anfang 2018 wurde dem Softwareentwickler schließlich klar, dass er genug hatte von "Star Citizen". Das Spiel entwickelte sich in eine Richtung, die ihm nicht gefiel, auch war für ihn kein Entwicklungsende mehr absehbar. Also versuchte er sein Geld zurückzubekommen. Über das Refundierungssystem hatte er jedoch keinen Erfolg. Der Hersteller hatte – wie berichtet – über die Jahre die Nutzungsbedingungen geändert, wonach Unterstützer seither lediglich 14 Tage Zeit haben, ihr Geld zurückzuverlangen.

Dennoch reichte Lord eine Supportanfrage ein. Daraufhin hieß es, ein "Spezialist" würde sich melden. Gemeldet hatte sich jedoch selbst nach Monaten niemand. Lords Eintrag im offiziellen Forum ging in langen Diskussionen unter, blieb unbeantwortet und wurde schließlich gesperrt, nachdem keine Reaktionen kamen.

Keine Chance

Im Juni sah er sich schließlich gezwungen, den Weg übers Gericht zu versuchen. Doch auch hier blitzte Lord ab: Der Richter gab wie schon in einem anderen Fall der Argumentation des Herstellers recht. Mit den Käufen, die nach der Änderung der Nutzungsbedingungen getätigt wurden, willigte Lord in die neuen Bedingungen ein.

Ob der Entwickler für sein Geld nun jemals das Spiel erhalten wird, das ihm 2012 versprochen wurde, bleibt abzuwarten. Inzwischen finanzieren neue Unterstützer und weitere DLCs die Space-Odyssee Star Citizen weiter. (zw, 19.7.2018)