Lügen haben vielleicht kurze Beine, benötigen aber mehr Zeit als die Wahrheit. Der Unterschied fällt aber nicht mehr so auf, wenn in einer Fremdsprache gesprochen wird, haben Forscher herausgefunden.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Würzburg – "In unserer globalisierten Welt findet immer mehr Kommunikation in einer Sprache statt, die nicht die Muttersprache einiger oder aller Gesprächsteilnehmer ist", sagt Kristina Suchotzki, Psychologin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Wie lügt es sich in einer Fremdsprache, fragte sich die Wissenschafterin – etwa wenn es bei Geschäftsverhandlungen darum geht, das Gegenüber von den Vorteilen eines Produktes zu überzeugen und es mit der Wahrheit nicht ganz so ernst genommen wird.

Bislang hat sich die Forschung auf diesem Gebiet vor allem auf die Vertrauenswürdigkeit von Menschen konzentriert, die in ihrer Muttersprache oder einer Fremdsprache sprechen. "Nur wenige Experimente haben jedoch untersucht, ob Menschen tatsächlich in einer Fremdsprache weniger gut lügen", sagt Suchotzki.

Lügen heißt Stress

Ob Lügen in einer Fremdsprache leichter oder schwerer fallen, wird kontrovers diskutiert. So legt die "Theorie der kognitiven Belastung" den Schluss nahe, dass sich Lügner in einer Fremdsprache schwerer tun. "Lügen ist im Vergleich zum Wahrheitssagen schon für sich gesehen eine kognitiv anspruchsvolle Aufgabe", erklärt Suchotzki. Komme die Fremdsprache hinzu, mache die zunehmende kognitive Belastung das Lügen noch schwieriger.

Dass Lügen in einer Fremdsprache leichter fällt, wird von der "emotionalen Distanzhypothese" gestützt. Diese Theorie geht von der Beobachtung aus, dass Lügen mit mehr Emotionen verbunden ist als die Wahrheit. Wer lügt, steht unter Stress und ist angespannt. "Demnach würde man erwarten, dass Lügen in einer Fremdsprache geringere emotionale Erregung auslöst", ergänzt die Psychologin. Die verminderte emotionale Erregung würde also das Lügen erleichtern.

Um die Frage zu klären, welche der beiden Theorien zutrifft, haben die Würzburger Psychologen in einer Reihe von Experimenten jeweils bis zu 50 Versuchspersonen spezielle Aufgaben erledigen lassen. Sie sollten eine Vielzahl von Fragen beantworten – mal wahrheitsgemäß, mal gelogen, mal in ihrer Muttersprache, mal in einer Fremdsprache. Ein Teil dieser Fragen waren neutral formuliert, wie etwa "Berlin liegt/liegt nicht in Deutschland". Andere hatten eindeutig emotionalen Charakter, beispielsweise "Haben Sie jemals illegale Drogen konsumiert?" oder "Würden Sie als Nacktmodell arbeiten?"

Emotionale Distanz in der Fremdsprache höher

Während der Befragung haben die Forscher die Geschwindigkeit gemessen, in der die Probanden ihre Antworten gaben. Zudem wurde die Hautleitfähigkeit und Herzrate erhoben. Die zentralen Ergebnisse: Die Beantwortung emotionaler Fragen dauerte im Vergleich zu neutralen Fragen im Schnitt länger. Antworten in der Fremdsprache benötigten ebenfalls mehr Zeit als Antworten in der Muttersprache. Prinzipiell dauert es länger, eine Lüge auszusprechen als die Wahrheit.

In einer Fremdsprache fallen die zeitlichen Unterschiede zwischen gelogenen und wahrheitsgemäßen Antworten allerdings kürzer aus als in der Muttersprache. Der geringere Differenz resultiert allerdings nicht aus einer schnellen Antwort, die gelogen ist – vielmehr kommt in der Fremdsprache auch die Wahrheit langsamer über die Lippen als in der Muttersprache.

"Ausgehend von der kognitiven Belastungstheorie hätte man einen erhöhten Aufwand für das Wahrheiten-Sagen und Lügen in einer Fremdsprache erwartet, wobei der erhöhte Aufwand für das Lügen ausgeprägter gewesen wäre", sagt Kristina Suchotzki. Die Daten legen allerdings nahe, dass der erhöhte kognitive Aufwand die wahrheitsgemäße Antwort in der Fremdsprache in die Länge zieht. Wieso diese Verlängerung beim Lügen nicht oder nur geringfügig zu sehen ist, erklären die Psychologen damit, dass die stärkere emotionale Distanz in der Fremdsprache die erhöhte kognitive Belastung beim Lügen kompensiert. (red, 20.7.2018)