Könnte bis zu 20 Jahre im Exil bleiben: Carles Puigdemont

Der spanische Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof, Pablo Llarena, verzichtet auf die Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont. Llarena hatte im Zusammenhang mit dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum am vergangenen 1. Oktober einen europäischen Haftbefehl wegen "Rebellion" und wegen "Veruntreuung öffentlicher Gelder" erlassen. Das zuständige Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG) stimmte der Auslieferung zu, allerdings nur wegen "Veruntreuung". "Rebellion" sehen die deutschen Richter als nicht gegeben. Denn dazu ist schwere Gewalt notwendig.

Ein Verfahren wegen Veruntreuung genügt Llarena nicht. Er zog deshalb den europäischen und internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont und fünf weitere katalanische Politiker in Belgien, Schottland und der Schweiz zurück. Die Höchststrafe bei Veruntreuung sind acht Jahre, auf Rebellion stehen 30.

Puigdemont will seinem Anwalt zufolge in der kommenden Woche nach Belgien zurückkehren. Er und die anderen Betroffenen können frei reisen. Nur nach Spanien können sie nicht zurück, denn dort besteht weiterhin der nationale Haftbefehl gegen sie und zwar auch wegen "Rebellion". Dieses Delikt verjährt in 20 Jahren.

Wie ein Kartenhaus

Hätte Llarena die Auslieferung akzeptiert, wäre sein Verfahren in Madrid wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Denn in Spanien sitzen neun Politiker und Aktivisten in Haft, die fast alle ebenfalls der "Rebellion" angeklagt werden. Es wäre absurd gewesen, ehemalige Minister wegen einer Tat zu verurteilen, deren ihr Chef nicht bezichtigt werden darf.

Llarena hatte den Haftbefehl gegen Puigdemont im Dezember 2017 bereits einmal ausgesetzt, als dieser in Belgien weilte. Damals zeichnete sich ab, dass auch die belgische Justiz von "Rebellion" nichts wissen wollte. Llarena wartete geduldig ab, bis Puigdemont nach Skandinavien reiste, um den Haftbefehl erneut zu aktivieren. Die spanische Polizei alarmierte die deutschen Kollegen, als der Katalane von Dänemark kommend die Grenze überschritt. Llarena war sich sicher, dass Deutschland seiner Anschuldigungen wohl gesonnen sei. Er sollte sich täuschen.

Kritik an Deutschland

Der spanische Richter beschwert sich in seinem Schriftsatz über "fehlendes Engagement" seitens seiner deutschen Kollegen. Die deutschen Richter hätten mit ihrem Beschluss ein Urteil vorweggenommen und damit die "von uns geförderten Instrumente der internationalen Zusammenarbeit kurzgeschlossen". Allerdings wird Llarena nicht vor die europäische Justiz ziehen. Das hätte seiner Ansicht nach Deutschland machen müssen, um Zweifel auszuräumen.

Der Koordinator des Anwaltsteams der sechs Betroffenen, Gonzalo Boye, reagierte auf Twitter. "Der Domino-Effekt war verheerend ... dabei belasse ich es." Die neue sozialistische Regierung gab keine Stellungnahme ab. Der konservative Partido Popular und die rechtsliberalen Ciudadanos hatten bereits vor der Entscheidung Llarenas verlangt, Spanien müsse angesichts des OLG-Urteils das Schengenabkommen verlassen. (Reiner Wandler, 19.7.2018)