Lisette Model hatte, wie dieses in den 1930ern entstandene Foto zeigt, einen Blick für Extravaganzen: Die 1901 in Wien als Elise Amelie Felicie Stern geborene Fotopionierin brach 1938 ins New Yorker Exil auf.


Foto: Estate of Lisette Model, Albertina, Wien

Es ist ein langer und verschlungener Weg von Wien-Mariahilf nach Mexiko. Zeugnis davon legt das Leben Wolfgang Paalens ab. 1905 in Wien geboren, emigrierte der Surrealist 1939 in die USA und schließlich auf Einladung Frida Kahlos nach Mexiko-Stadt. Dort startete Paalen das Zeitschriftenprojekt DYN. Hefte, die auch in der neuen Schau Resonanz von Exil im Museum der Moderne (MdM) auf dem Mönchsberg zu sehen sind.

Sechs Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Malerei, Fotografie, Illustration, Tanz stellt das Team rund um Kuratorin Christiane Kuhlmann und Direktorin Sabine Breitwieser vor. Die verbindende Konstante zwischen ihnen sind die Probleme nach dem Exil bei ihrer Rückkehr nach Europa. Das schwingt oft im Werk mit. Etwa bei Dora Kallmus (1881–1963), genannt Madame d’Ora, der aktuell im Leopold-Museum eine große Personale gewidmet ist. D’Oras glamourösen Modefotos sind düstere, nach 1945 entstandene Arbeiten gegenübergestellt.

Soziales Elend dokumentiert

Eine andere Fotopionierin, Lisette Model (1901–1983), dokumentierte das soziale Elend und die Außenseiter von New York; in Zeiten der Hexenjagd des FBI auf alle vermeintlichen "Roten" sicherten ihr Lehraufträge das Überleben.

Model porträtierte auch Valeska Gert (1982–1978). Die Berliner Tänzerin, Schauspielerin, Sängerin und Performancekünstlerin machte schon in den 1920er-Jahren mit interdisziplinär-konzep tu el len Arbeiten die Grenzen zwischen den Genres obsolet. Als Orte für ihre auf Irritation und Provokation gepolten Auftritte nutzte sie diverse Bars und Nachtklubs: In der Hexenküche startete Klaus Kinski mit Villon- und Rimbaud-Gedichten seine Rezitationskarriere.

Noch kurz vor ihrem Tod avancierte Gert zum Idol des Punk und dessen Berliner Variante der Genialen Dilletanten. Anfeindungen musste sie aus verschiedenen Richtungen hinnehmen, auch von der deutschjüdischen New Yorker Zeitschrift Aufbau, die sich ob ihrer "geschmacklosen" Performances um den guten Ruf der Exilanten-Community sorgte.

Emigrantenalltag

Dem Medium Magazin schenkt die Ausstellung viel Raum: Beispielhafte Artikel und Annoncen vermitteln den Emigrantenalltag eindrücklich; zu den Autoren gehörten etwa Lion Feuchtwanger, Max Brod, Thomas Mann, Alfred Polgar oder Stefan Zweig.

Mit Lili Rethi beleuchtet Resonanz von Exil Leben und Werk einer wenig bekannten, sozial engagierten Künstlerin, die in Wien vor allem Illustrationen für die Arbeiter-Zeitung schuf. Von dort stammte auch Amos Vogel (eigentlich Vogelbaum). Der wichtige Kurator und Filmhistoriker 1921–2012) gründete den Filmclub Cinema 16, wo unzählige Persönlichkeiten – von Hitchcock bis Kracauer – gastierten.

Aus seinem im Österreichischen Filmmuseum befindlichen Nachlass zeigt das MdM etwa die Bibliothek seines Arbeitszimmers oder gesammelte Zeitungsausschnitte, die den Cineasten als scharfen Kritiker offizieller US-Politik und Unterstützer von Gegenkultur und Bürgerrechtsbewegung ausweisen. (Gerhard Dorfi, 19.7.2018)