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Arabische Knesset-Abgeordnete demonstrieren, was sie vom neuen Nationalstaatsgesetz halten. Nachdem sie die Vorlage zerrissen hatten, mussten sie das Plenum verlassen.

Foto: AP Olivier Fitoussi

Als nach mehrstündiger hitziger Debatte das Abstimmungsergebnis feststand, sprangen einige der arabischen Abgeordneten der "Vereinigten Liste" in ihrer Wut auf und zerrissen Kopien jenes Gesetzes, dass die Knesset soeben verabschiedet hatte: 62 von 120 Abgeordneten stimmten für das Nationalstaatsgesetz, eine Art Präambel des Grundgesetzes, das Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes definiert. 55 stimmten dagegen. Ein "Apartheidsgesetz" und ein "rassistisches Gesetz", schimpften arabische Abgeordnete, die daraufhin das Plenum verlassen mussten.

Premierminister Benjamin Netanjahu hingegen triumphierte in dieser nächtlichen Knesset-Sitzung in Jerusalem: "Das ist ein entscheidender Moment in der Geschichte des Zionismus und in der Geschichte des Staates Israel", sagte er vor dem Plenum. Heute habe man gesetzlich festgeschrieben: "Das ist unser Land, unsere Sprache, unsere Hymne und unsere Flagge. Lange lebe der Staat Israel."

Hebräisch als einzige Amtssprache

Dabei geht es vielen Kritikern nicht um die Festlegung dieser nationalen Symbole, sondern vorrangig um zwei andere Paragrafen: In einem davon heißt es, dass fortan nur noch Hebräisch Amtssprache ist, Arabisch lediglich einen "besonderen Status" genießt – ein herber Schlag für die arabischen Israelis, die rund ein Fünftel der Bevölkerung Israels ausmachen.

In dem anderen Abschnitt heißt es, der Staat sehe in der Entwicklung jüdischer Gemeinden einen nationalen Wert, werde diese also bauen und fördern. Es ist die entschärfte Version: Noch vor einigen Tagen stand dort, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität und Religion von bestimmten Gemeinden ausgeschlossen werden können. Das löste allerdings heftige Kritik, selbst in rechten Kreisen, aus. Auch Präsident Reuven Rivlin mischte sich in die Debatte ein, warnte, das Gesetz könne dem jüdischen Volk, Juden in aller Welt und dem Staat Israel schaden und von den Feinden als Waffe genutzt werden.

Hauptstadt, Kalender und Feiertage

Auch das Prinzip der Gleichheit, das in der Unabhängigkeitserklärung noch genannt wurde, fehlt in dem neuen Gesetz. Israel, vor 70 Jahren gegründet, hat bis heute keine Verfassung, dafür aber Grundgesetze. Vor gut sieben Jahren tauchte der Entwurf für das Nationalstaatsgesetz zum ersten Mal auf, wurde danach immer wieder diskutiert und geändert. In der verabschiedeten Version wird Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel bestätigt, außerdem werden der hebräische Kalender als offizieller Kalender, der Unabhängigkeitstag sowie Gedenktage und jüdische Feiertage anerkannt.

Einer der stärksten Befürworter des Gesetzes, Avi Dichter von der Likud-Partei, sprach vor der Abstimmung von "Fake-News", die über den Entwurf verbreitet worden seien. Die Kultur der Minderheiten würde nicht beschädigt.

Die Opposition sieht das anders: Ihr Anführer Yitzhak Herzog, der nach der Sommerpause nicht in die Knesset zurückkehren, sondern seinen Posten als Chef der Jewish Agency antreten wird, zeigte sich "etwas traurig" darüber, dass er seine letzte Rede vor diesem Hintergrund halte. "Ich hoffe sehr, dass die feine Balance zwischen einem jüdischen und einem demokratischen Staat nicht verletzt wird." Der arabische Abgeordnete Ayman Odeh schrieb nach der Abstimmung auf Twitter: "Trennung, Diskriminierung, Vorherrschaft und Rassismus sind nun im Gesetz verankert." Noch am Samstag marschierte er mit anderen Politikern und tausenden Israelis durch Tel Aviv, um unter dem Motto "Das ist das Zuhause von uns allen" gegen das Gesetz zu protestieren. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 19.7.2018)