Balkone bei Altbauten wie hier in Berlin sieht man in Wien noch selten.

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Eine Drei-Zimmer-Wohnung in Wien ohne Balkon, die lasse sich heute mitunter gar nicht mehr so einfach verkaufen, meinen Experten. Denn immer mehr Menschen träumen vom eigenen Freiraum unter dem sommerlich blauen Himmel, den sie individuell gestalten können. Mit Blumentrögen zum Beispiel, einem Planschbecken für die Kleinen und schönen Balkonmöbeln.

Diese Sehnsucht nach einer Freifläche hat in den letzten Jahren zugenommen. "Viele wohnen in der Stadt auf relativ kleinem Raum", versucht Richard Buxbaum vom Maklerunternehmen Otto Immobilien eine Erklärung: "Und wenn es die Möglichkeit gibt, von der Wohnung ins Freie zu treten, dann bedeutet das mehr Lebensqualität."

Höhere Preise

Allerdings ist nicht alles, was in Wohnungsinseraten als Balkon versprochen wird, dann bei der Besichtigung auch tatsächlich das erhoffte Refugium. Oft ist der Balkon bei näherer Betrachtung nämlich viel zu klein oder schlecht gelegen.

"Ein Balkon muss schon eine gewisse Qualität haben", sagt Buxbaum. Idealerweise sollte dieser durch das Wohnzimmer erreichbar sein – und nicht durchs Schlafzimmer. Bei einer Zwei-Zimmer-Wohnung muss laut Buxbaum auf dem Balkon mindestens Platz für einen Tisch und zwei Stühle sein, quadratische Balkone seien zudem praktischer als langgezogene.

Bei Neubauten sei eine Fläche von zwei mal drei Metern das Minimum für einen Balkon. Bei Altbauten ist es schon ein Glückstreffer, wenn überhaupt einer vorhanden ist.

Wie viel mehr für eine Wohnung mit Balkon bezahlt wird, ist schwer zu sagen. "Das hängt davon ab, wie groß der Balkon ist und wie gut er sich nutzen lässt", so Buxbaum. Ein Balkon erhöht aber die Attraktivität einer ganzen Wohnung – und daher wird am Ende oft insgesamt ein höherer Quadratmeterpreis erzielt.

Bestand nachrüsten

Seit einer Novelle der Wiener Bauordnung 2014 ist es leichter, im Bestand nachzurüsten. Seither dürfen auch straßenseitig Balkone errichtet werden. Oft scheitert es aber an der nötigen Zustimmung aller Eigentümer im Haus. Ist der Balkon nahe an der Grenze zum Nachbargrundstück, braucht es auch die Zustimmung dieser Eigentümer.

Ist diese Hürde aber erst einmal genommen, dann findet sich aus der Sicht des Statikers Martin Haferl vom Büro Gmeiner Haferl Zivilingenieure fast immer eine Lösung für ein nachträgliches Aufrüsten.

Ein erster Schritt sollte im Altbau ein "Erkunden der Substanz" sein, über die oftmals nur wenig bekannt ist. Eine "elegante Möglichkeit" ist das Befestigen des Balkons an den Deckenträgern. Dafür muss allerdings schon in der Planungszeit der Boden geöffnet werden, um sich den Zustand der Decke anzuschauen.

Mitunter stoße man dabei unter alten Badezimmern auf eine morsche Deckenkonstruktion, an der der Balkon nicht mehr befestigt werden kann. Noch eine Komplikation: Manchmal stellen sich die Träger als zu schwach dimensioniert heraus, dann können sie den großen Balkon, der gewünscht wird, nicht tragen.

Überladen vermeiden

Ein Balkon kann laut Haferl auch an der Außenwand festgedübelt werden. Eine andere Lösung ist, eine Balkonkonstruktion auf den Boden vor das Haus zu stellen, die sich selbst trägt. "Im Altbau ist das oft die gescheiteste Lösung", sagt Statiker Haferl. Besonders, wenn die darunter- und darüberwohnenden Nachbarn auch gern einen Balkon hätten und daher mitzahlen, was laut Haferl relativ oft passiert.

Weniger kompliziert sei das Errichten eines Balkons im Neubau, erklärt Haferl: "Die Balkonplatten werden dort meist aus Beton ausgeführt und thermisch getrennt, damit kein Heizwärmeverlust entsteht."

Auch wenn der Sommer heiß ist und die Möglichkeiten auf dem Balkon vielfältig sind: Das Überladen des Balkons sollte tunlichst vermieden werden. Ein Balkon muss im Wohnbau 400 Kilogramm pro Quadratmeter aushalten. Ein Planschbecken sollte daher nur maximal 40 Zentimeter hoch mit Wasser gefüllt werden, rechnet Haferl vor. Auch ein Hochbeet, das bis oben mit Erde gefüllt ist, sei problematisch.

Menschenmenge am Balkon

Weltweit passieren Unfälle, weil überladene Balkone in die Tiefe stürzen, nachdem ein Dübel oder ein Tragelement gebrochen ist. "Das kann von einer Sekunde auf die andere passieren", so Haferl. Oft weil sich zu viele Menschen auf dem Balkon befinden: "Wenn die Gäste zum Rauchen auf den Balkon gehen, dann ist das kein Problem", sagt Haferl. "Aber wenn auf dem Balkon ein Gedränge herrscht, weil jemand im Innenhof eine Rede hält, die alle hören wollen, dann wird es schnell gefährlich."

Wahrer Luxus kann übrigens auch ganz ohne Balkon auskommen. Zahlreiche Wohnungen in Wien, die gerade in revitalisierten Altbauten im ersten Bezirk entstehen, haben keinen Balkon, weil die Gemäuer denkmalgeschützt sind. "Wenn man eine solche Wohnung sucht, dann nimmt man in Kauf, dass es keinen Balkon gibt", erklärt Immobilienmakler Buxbaum.

Es komme auch darauf an, was man gewohnt ist. Käufer aus New York oder London würden Balkone aus ihren Heimatstädten nicht kennen. Ihnen seien diese dann auch in Wien nicht so wichtig. (Franziska Zoidl, 21.7.2018)