Jana Benová, "Café Hyena". Aus dem Slowakischen von Andrea Reynolds. € 20,00 / 176 Seiten. Residenz, Salzburg 2017

Foto: Residenz Verlag

Jana Benová (44) gilt in der Slowakei als Kultautorin, die den postkommunistischen Zeitgeist auf den Punkt bringt, oder eher: auf die Schaufel nimmt. In ihrem Roman Café Hyena nimmt sie die Leser auf eine Großstadtsafari in den Pressburger Stadtteil Petrzalka mit, der unter dem Namen Engerau 1938 bis 1945 zum Deutschen Reich gehörte und Standort von Rüstungsbetrieben und eines Zwangsarbeitslagers für Juden war.

Nach Kriegsende wurde das Riesendorf wieder (tschecho)slowakisch und mit seinen Neubauten bald Inbegriff einer monströsen Trabantenstadt des Ostblocks – woran die Tatsache, das nach 1989 alle Wohnblocks wie Ostereier bunt angefärbelt wurden, nicht viel ändern konnte.

"Petrzalka ist ein Gebiet, in dem Zeit keine Rolle spielt", schreibt Benová. "Hier leben Wesen, von denen der übrige Teil der Weltbevölkerung denkt, dass sie gar nicht mehr existieren. (...) Die Kakerlaken hier sehen aus wie Dinosaurier, die Stimme des Nachbarn kommt nicht aus seiner Kehle, sondern durch die gefletschten Fangzähne eines Raubtieres."

Sich im Reden neu erfinden

Hier leben aber nicht nur triste Postindustrie-Proletarier und die rechten "Pfannkuchen", sondern auch zwei Künstlerpärchen – Elza und Ian, Rebeka und Elfman: "Ihr Grundsatz war, dass immer einer von ihnen arbeiten ging und Geld verdiente, während die anderen drei kreativ tätig waren." Was soviel bedeutet, dass der Rest der Gang in besagtem Café Hyena herumhängt, liest und sich zumindest im Reden neu erfindet.

Mit dieser Neoboheme möchten die vier dem "Genius Loci von Petrzalka, der darin besteht, dass jeder sich nach einer gewissen Zeit wie ein Arschloch fühlt, weil er es im Leben nirgendwohin gebracht hat", ein Schnippchen schlagen. Dennoch ist auch das sarkastische Assi-Idyll latent gefährdet, als Elza Jan mit dem Tänzer Kalisto Tanzi betrügt, Elfman ins Ausland flüchtet und Rebeka in der Psychiatrie landet. Was mitreißt, ist nicht nur der Plot, sondern die lakonischen Beobachtungen aus dem Alltag von Bratislava. Diese sind bis zum Kalauer komisch, etwa wenn eine Passantin fragt: "Sagen Sie mal, was ist denn diese neue Burg da drüben?" Was sie jedoch meint, ist der neue Burger King, der seine Fangarme auch nach Petrzalka ausstreckt.

Satellitenstadt-Flaneure

Das meiste, was Benová aus der Beobachterposition ihrer Satellitenstadt-Flaneure beschreibt, ist für Wiener Leser nachvollziehbar. Ihre Befunde könnten auch in einem großen Wiener Gemeindebau Gültigkeit beanspruchen – so viel real existierenden Sozialismus gab es in den Jahrzehnten der SPÖ-Stadtherrschaft auch.

Nicht nur das hebt Café Hyena weit über das Lokalkolorit hinaus: ein großartiger Wurf, in einer rotzig entspannten wie fulminanten Sprache, die offenkundig souverän übersetzt wurde. (Clemens Ruthner, Album, 24.7.2018)