Gut zwei Jahre nach dem Referendum über den EU-Austritt finden sich Großbritannien einerseits und die übrigen 27 EU-Partnerstaaten auf der anderen Seite überraschend in einer etwas kuriosen Lage.

Die Briten, die im Juni 2016 mit Premier David Cameron, den Brexit-Hauptbetreibern Boris Johnson und Nigel Farage noch ganz auf "starken Mann" machten, stecken in einer tiefen politischen und gesellschaftlichen Krise. Ihre Regierung tritt in Brüssel mit immer neuen Vorschlägen auf. Aber das greift nicht, sorgt mehr für Verwirrung, als es konkrete Lösungen befördert. Von einem gut geregelten EU-Austritt, der das Königreich angeblich in eine viel bessere Zukunft führen werde, wie die Brexiteers versprachen, ist man weit entfernt. Praktisch alle Schlüsselfragen sind vor allem deshalb ungelöst, weil die Briten untereinander völlig zerstritten sind. Ex-Außenminister "Bojo" ergriff die Flucht, Premierministerin Theresa May hat Mühe, ihre zerstrittene Regierung – und noch mehr ihre eigene Tory-Partei – vor dem Auseinderbrechen zu bewahren.

Die Schotten sind derzeit zwar ruhig, dafür droht die geteilte Insel Irland ins Chaos zu stürzen. London hat sich selbst eher sehr schlechte Karten zugewiesen.

Im Lager der EU-27, mit dem Theresa May nun ziemlich einsam klarkommen muss, ist es erstaunlicherweise genau umgekehrt. Soweit man bisher absehen kann, ist die Einigkeit bei der gemeinsamen Verhandlungsposition der Union nicht nur gespielt. Sie hält eisern. Die sonst so uneinigen EU-Länder pokern hart und hoch. Alle Staaten, insbesondere die mächtigsten – Deutschland und Frankreich -, halten sich mit eigenen Wünschen zurück.

Gemeinsam stehen die EU-Partner vor allem hinter der mit knapp fünf Millionen Einwohnern so kleinen Republik Irland, die mit dem Brexit am meisten zu verlieren hat. Kein anderes EU-Land ist vom Handel mit Großbritannien so abhängig wie die Iren, besonders im Agrarbereich.

In dieser "Schlachtaufstellung" geht es also ins Finale, mit psychologischen Vorteilen für die EU-27. Das hat auch einfache formale Gründe. Die Zeit drängt vor allem für May. Sie vor allem muss ein Ergebnis, einen Erfolg erzielen.

Die 27 anderen Regierungschefs haben ein Ass im Ärmel. Sollte es nicht rechtzeitig klappen, können sie den Brexit mit einem einstimmigen Beschluss über März 2019 hinaus verschieben. Es läge dann zuallerletzt an May, sich für Chaos oder vorläufiges Weitermachen in der EU zu entscheiden. (Thomas Mayer, 20.7.2018)