Es ist besser als ein Arbeiterjob", scherzt Lance Stroll und meint damit seinen Beruf als Formel-1-Pilot. Einen Arbeiterjob wird der 19-Jährige wohl nie haben. Sein Vater Lawrence gehört dank Investitionen in Modeunternehmen zu den tausend reichsten Menschen, sein auf 2,5 Milliarden Dollar geschätztes Vermögen sichert dem Sohnemann das Williams-Cockpit. Fahrerposten für Sponsoringmillionen sind bei finanzschwachen Teams schon lange Usus. Papa Stroll hat gleich Teamanteile gekauft. Stroll beteuert dann doch, dass ihm das Rennfahren Freude macht, liefert brav Zitate wie "Das ist Teil des Prozesses" und "Da muss man durch". Doch er fiel in der laufenden Saison immer wieder mit entnervten Funksprüchen auf. In Monaco fragte er seinen Ingenieur in der neunten Runde, ob es einen Sinn hätte, das Rennen zu Ende zu bringen.

Williams ist hoffnungslos unterlegen, Stroll und Teamkollege Sergei Sirotkin sind Dauerkandidaten für die letzten Plätze. Strolls Misserfolg freut viele. Nicht nur Ex-Pilot Jacques Villeneuve, Strolls kanadischer Landsmann, verwendet "Pay Driver" als Spottbegriff. Cockpit-Erfahrung, im Regelfall Jahre im Kartsport, in Formeln unter der Wahrnehmungsschwelle und in hochtechnischen Simulatoren, ist teuer.

Lance Stroll hinterlässt bei offiziellen Terminen einen eher gelangweilten Eindruck.
Foto: Imago/Dunbar

Hypertalentierte Nachwuchspiloten werden mittlerweile recht zuverlässig gescoutet und um den 18. Geburtstag in ein Entwicklungsprogramm aufgenommen. Wer dieses Glück nicht hat, braucht reiche Eltern oder einen anderen Gönner. Diese zwei Varianten können sich kreuzen, Stroll kam dank der väterlichen Ambitionen schon elfjährig in Ferraris Förderprogramm "Ferrari Driver Academy". Dort war er mit großem Abstand der Jüngste. Rennsport ist ein Sport der Reichen. Doch selbst in diesem Umfeld ist Lance Strolls Hintergrund einzigartig. Sein Vater übernahm ihm zuliebe das Formel-3-Team Prema, investierte bis zur Überlegenheit. "Ich war der jüngste Formel-3-Champion aller Zeiten, und das mit großem Vorsprung", kann Lance deshalb sagen. Lawrence wollte das Formel-1-Team Sauber kaufen, der Deal zerschlug sich. Also wandte er sich Williams zu.

Gelangweilt

Als Stroll Anfang 2017 in die Formel 1 kam, hatte der damals 18-Jährige zuvor ein gewaltiges Testprogramm mit einem 2014er-Williams und einem 25-köpfigen Begleitteam absolviert. Die Rennsportkarriere des Sohnes soll seinen Vater bis zum Königsklasseneinstieg 80 Millionen Dollar gekostet haben. Stroll hatte Möglichkeiten, die bisher unvorstellbar waren. Wenn er nun im Williams-Motorhome sitzt und Medienfragen beantworten muss, zippt er seine Teamjacke auf und zu, wieder und wieder, heuchelt gar kein Interesse. Das Drumherum langweilt ihn. Und man fragt sich kurz, ob ihn einfach alles langweilt, diesen Jungen, der den Satz "Das musst du jetzt machen" nicht oft gehört hat. Wenn er dann aber eine Stunde vor dem Qualifying, im Rhythmus mit den Fingern schnippend, in das Williams-Motorhome hüpft, dann fragt man sich, ob Stroll vielleicht doch einfach nur racen möchte. "Ich bleibe in meiner Blase", sagt er zum STANDARD. "Was Menschen, die mich nicht kennen, über mich denken, spielt keine Rolle."

Gehasst

Stroll wird vor allem von den Tastatursoldaten des Internets verachtet. Anfang Juni löschte er seinen Instagram-Account, wohl weil seine Fotos regelmäßig mit Hasskommentaren bombardiert wurden. "Du wirst enden wie Jules Bianchi", prophezeiten Menschen dem 19-Jährigen. Bianchi verstarb 2015 nach einem Rennunfall in Suzuka. Vorteile hin, Geld her: Racen, das kann Stroll. Er wurde im Chaosrennen von Baku 2017 Dritter, davon erzählt er ebenso beharrlich wie von Platz zwei im Monza-Qualifying 2017.

Das sind die "Fakten", die er immer betont. Sie mögen der Schutzschild eines jungen Mannes sein, der für viele nicht so recht dazugehört. Oder es ist einfach die Wahrheit eines viel, wohl oft auch zu Unrecht Kritisierten. Stroll hat in seiner Debütsaison bewiesen, dass er ein brauchbarer F1-Fahrer ist. Spielte der Neuling in den ersten Rennen noch die Tonleiter der Anfängerfehler rauf und runter, punktete er in Montreal erstmals.

Immerhin sieht Lance Stroll keine Autos im Rückspiegel.
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Doch Stroll hat zwei Probleme. Punkt eins: Max Verstappen hat die Messlatte weit nach oben gehoben, der Niederländer gewann mit 18 sein erstes Rennen. Außerdem macht sich ein 18-jähriger Monegasse derzeit daran, diese Messlatte mit Saltos und Dreifachschrauben zu überfliegen. Charles Leclerc fährt der Konkurrenz im unterlegenen Sauber um die Ohren. Punkt zwei: Tausende Motorsporthoffnungen stecken ebenso viel Herzblut in den Traum von einem Formel-1-Cockpit, müssen diesen aber bis an ihr Sterbebett in sich tragen. All diese Träume schwingen mit, wenn jemand Stroll sein Daseinsrecht in der Formel 1 abspricht. Die Wichtigkeit der kolportierten 40 Millionen Dollar, die Vater Lawrence in das Williams-Budget buttert, lässt sich nicht leugnen.

Der britische Rennstall ist nur mehr ein Zerrschatten des Teams, das in den 90ern die Formel 1 dominierte. Titelsponsor Martini springt ab – die für beide Cockpits kassierte Mitgift wird noch wichtiger. Ende April aufgekommene Gerüchte, Papa Stroll wolle eine Transformation zu einem Mercedes-B-Team finanzieren, würgte Teamchefin Claire Williams ab. Die von F1-Eigentürmer Liberty Media angestrebte Budgetgrenze würde das Team stabilisieren, bis dahin ist es aber ein weiter Weg. Ein Weg, auf dem die Stroll-Millionen unverzichtbar sind. Wenn der Youngster also im Boxenfunk schäumt wie Fernando Alonso an seinen schlechtesten Tagen, muss Williams das akzeptieren. Und so kann er, so wird er weitermachen. (Martin Schauhuber, 21.7. 2018)