Eine Aufnahme von Mitgliedern der Weißhelme vom 5. Oktober 2016. Damals war die Hilfsorganisation in Duma nahe Damaskus im Einsatz.

Foto: AFP PHOTO / Sameer Al-Doumy

Jahrelang haben sie Menschen aus Trümmern gezogen, erste Hilfe geleistet, Zivilisten evakuiert – nun sind die syrischen Weißhelme selbst auf Hilfe angewiesen: In einer ziemlich ungewöhnlichen Rettungsaktion hat Israel in der Nacht zum Sonntag mehrere hundert Mitglieder des syrischen Zivilschutzes und deren Angehörige über Israel nach Jordanien gebracht. Nachdem zunächst von 800 Menschen die Rede war, hieß es am Sonntagnachmittag, es seien etwas mehr als 400 Personen gewesen.

Die israelische Armee, die die Aktion durchgeführt hat, erklärte Sonntagfrüh nur so viel: Einer Regierungsanweisung folgend habe man auf Bitten der USA, Kanada und mehreren europäischen Ländern Mitglieder einer syrischen Zivilorganisation und deren Familien gerettet. Sie seien aus der Kriegsregion in Südsyrien evakuiert worden, ihr Leben sei unmittelbar in Gefahr gewesen, man habe sie in ein Nachbarland gebracht.

Der Kommandeur der Operation "Guter Nachbar" sprach von einer "emotionalen Erfahrung", an der Grenze zu stehen und Familien, die meisten Frauen und Kinder, zu empfangen. Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte, Trump und Trudeau hätten ihn vor ein paar Tagen mit der Bitte kontaktiert, bei der Evakuierung zu helfen. "Es sind Menschen, die Leben gerettet haben, und deren Leben in Gefahr war. Deshalb habe ich ihren Transit durch Israel in andere Länder erlaubt, als eine wichtige humanitäre Geste."

Reservierte Nachbarn

Israel und Syrien haben offiziell nie Frieden geschlossen – immerhin aber im Jahre 1974 einen Waffenstillstand vereinbart. Seit gut fünf Jahren leistet Israel im Zuge der Operation Guter Nachbar humanitäre Hilfe, hat 5000 Syrer in israelischen Krankenhäusern behandelt, Nahrung, Treibstoff, Medizin, Generatoren und Zelte ins Nachbarland geschafft. Nur die Aufnahme von Flüchtlingen lehnt Israel bis heute ab – auch in den vergangenen Wochen, als vermehrt Syrer aus dem umkämpften Daraa flohen und an die Grenze zu Israel kamen. Die Weißhelme, die nun nach Jordanien in Sicherheit gebracht wurden, sollen in den kommenden drei Monaten weiterziehen, Berichten zufolge haben Deutschland, Kanada und Großbritannien zugesagt, Flüchtlinge aufzunehmen.

Seit 2013 sind die Helfer des syrischen Zivilschutzes im Einsatz, tausende Mitglieder haben nach eigenen Angaben mehr als 114.000 Menschenleben gerettet. Auch Kriegsverbrechen hat die von westlichen Staaten und von Spenden finanzierte Organisation dokumentiert. Für das Assad-Regime wie auch für Russland, das seit einigen Jahren die syrische Armee unterstützt, sind die Weißhelme jedoch Feinde, da sie in den Rebellenhochburgen aktiv sind. Zuletzt warf Russland ihnen vor, den Giftgasangriff auf Duma Anfang April inszeniert zu haben. Immer wieder wurden sie als Al-Kaida-Ableger diffamiert. Die Weißhelme warfen ihrerseits Russland und dem syrischen Regime vor, sie bei der Arbeit zu behindern. Sie selbst bezeichnen sich als unparteiische, neutrale Organisation, die allen Menschen in Syrien hilft. 2016 erhielt sie den Right Livelihood Award, der manchmal als alternativer Nobelpreis bezeichnet wird.

Kämpfe im Südwesten

Da die syrischen Regimetruppen im Südwesten des Landes weiter vorrücken und zuletzt auch die Region Daraa eingenommen haben, wo der Bürgerkrieg vor sieben Jahren begann, waren die Weißhelme dort bislang in Gefahr: Vor mehr als einer Woche berichtete der amerikanische Sender CBS von den Plänen westlicher Alliierter, sie aus Syrien zu holen. Der Einsatz sei am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel vor zwei Wochen konkretisiert worden.

Russland unterstützt die Armee von Machthaber Assad bei den Kämpfen im Südwesten, flog am Wochenende aber gleichzeitig gemeinsam mit Frankreich Hilfsgüter nach Syrien – die erste gemeinsame Hilfsaktion eines westlichen Staates zusammen mit Moskau: Berichten zufolge hob die russische Militärmaschine von französischem Boden ab, um die Menschen in der Ostghouta mit Hilfsgütern zu versorgen. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 22.7.2018)