Man kann es sich mit Kasimir Malewitschs "Schwarzem Quadrat auf weißem Grund" vergleichsweise einfach machen.

Man kann sich aber auch richtig viel Mühe geben und Vincent van Goghs "Selbstporträt mit verbundenem Ohr und Pfeife" nachbauen oder eine Landschaft von Gabriele Münter.

Brotlos mag die Kunst all dieser großen Namen zu Anfang einmal gewesen sein. Lange schon kosten ihre Werke aber Millionen. Und neuerdings werden sie tatsächlich auf Brot nachgebildet. Brotlos war also einmal.

Angefangen hat, was Twitter gerade auf Trab hält, vor ein paar Tagen. Da postete eine Userin unter dem Hashtag #KunstGeschichteAlsBrotbelag ihre Jause: Käse, Beeren und Tomaten legte sie so auf die Schwarzbrotscheibe, dass sie sie an eines der geometrischen Gemälde von Piet Mondrian erinnerten. Und nicht nur sie. Die Reaktionen waren begeistert.

Gegen das, was seither folgt, ist dieser Stein des Anstoßes allerdings eine geradezu schlichte Arbeit. Denn dutzende Kunstfreunde tun es "Fräulein Read On" seither gleich und spielen mit ihrem Essen. Die Ergebnisse erstrecken sich stilistisch quer über die ganze Kunstgeschichte. Michelangelos Deckenfresko "Erschaffung Adams" aus der Sixtinischen Kapelle in Rom diente etwa schon als Vorlage.

Ebenso Leonardo da Vincis nicht minder berühmte "Mona Lisa". Küchentisch statt Louvre, lautet hier quasi das Motto.

Die "Maltechniken" auf Brot sind so vielfältig wie die Zubereitungstechniken einer Jause: schneiden, streichen, schmieren, partiell rösten. Ein Kunstfreund hat Albrecht Dürers "Betende Hände" in Margarine gekratzt.

Was es sonst noch zu sehen gibt? Über Brotscheiben hängende Pikantwurstblätter oder Gurkenscheiben werden zu Salvador Dalís berühmten zerrinnenden Uhren.

Ein anderer Nutzer stellt mit der grünen Ernte seines kleinen Küchengartens eine von Henri Rousseaus berühmten Dschungelszenen nach.

Aus Camembert schneidet ein weiterer einen bellenden Hund von Street-Art-Künstler Keith Haring.

Blaubeeren auf Käse fügen sich anderswo zu einem dem Original täuschend ähnlichen Henri Matisse. Oder Johannisbeer-, Orangen- und Stachelbeermarmelade imitieren in breiten Querstreifen eine Farbfeldmalerei des amerikanischen Expressionisten Mark Rothko.

Ein Ketchup-und-Senf-Dripping in der Nachfolge Jackson Pollocks wurde bisher noch nicht gefunden. Ein Nutzer versucht sich stattdessen (mit Marmelade) an einer pinken Marilyn von Andy Warhol, ein anderer an Caspar David Friedrichs romantischem "Wanderer über dem Nebelmeer".

Zu den Highlights der digitalen Kaloriengalerie gehört gewiss Jan Vermeers "Mädchen mit dem Perlenohrring", das seine blasse Gesichtsfarbe einer Scheibe Extrawurst verdankt. Der titelgebende Ohrschmuck ist – wohl für nach dem Brotverzehr – ein Tic Tac.

Nicht minder qualitätvoll: der Nachbau eines Selbstporträts von Frida Kahlo.

Oder van Goghs berühmte "Sternennacht".

Auch Pablo Picassos "Porträt von Dora Maar" feiniert den Begriff "Esskultur" auf hohem Niveau neu.

Neben den engagierten Handwerkern gibt es auch die ironischen zu entdecken. Eine in Butterpapier gewickelte und verschnürte Semmel spielt auf die Verhüllungskünstler Christo und Jeanne-Claude an.

Wer glaubt, das sei bloß ein Klümpchen Butter, der kennt nicht Joseph Beuys' berühmte "Fettecke". Das Original wurde damals irrtümlich von einer Reinigungskraft aus dem Museum entsorgt. Diejenige am Brot wurde hingegen wohl verstrichen und aufgegessen.

Claude Monets Sonnenaufgang? Ist in der Twitter-Galerie auch zu finden.

Ebenso Franz Marc, Edvard Munch oder Anselm Kiefer. Alte Meister scheinen hingegen etwas unterrepräsentiert zu sein.

Man isst auch mit den Augen, dieser Sager gewinnt hier eine neue Bedeutung. Ebenso der vom "alten Schinken" – den hat man lieber auf der Leinwand als am Jausenbrot. Die Virtuosen mit dem Buttermesser stellen bloß vor eine Frage: Was davon ist tatsächlich ein beliebter Jausenbrotbelag und was nur Mittel zum Zweck? Etwa im Fall von Rahmaufstrich mit Schokolade. (wurm, 23.7.2018)