Mavi Phoenix, bürgerlich Marlene Nader, stammt aus Linz, ist 22 Jahre alt und Österreichs aktuell heißeste internationale Musikhoffnung.

Foto: Nils Müller

Mavi Phoenix trägt ein Umhängetascherl in Schlangenlederoptik. Das passt gut zu ihrer aktuellen Single Bite, auf der die 22-jährige Musikerin vor Schlangen warnt. Nicht die Reptilien sind gemeint, sondern hinterlistige Menschen, die Nichtsgönner.

Es passt aber auch gut, weil das Tascherl von Desigual stammt. Die Modemarke aus Barcelona für geschmackskreative Individualisten unterlegte kürzlich einen TV-Spot, der in mehreren europäischen Ländern ausgestrahlt wurde, mit Phoenix' Song Aventura. Für Mavi Phoenix bedeutete das einen rasanten Zugewinn an Hörern, für die Marke Imageaufbesserung unter den jungen, hippen Trendsettern.

Mavi Phoenix

So einer ist sie. Phoenix macht zeitgeistigen, globalen Pop, irgendwo zwischen den Subgenres Urban und Alternative angesiedelt. Mit bunt zusammengewürfelten Samples, Hip-Hop-lastigen Beats, Anklängen an amerikanische Popkultur und Verfremdungseffekten auf dem englischen Sprechgesang. Eingängig genug für den Wiedererkennungswert, ausgefallen und interessant genug, um am Label Mainstream vorbeizuschrammen. Noch.

Thematisch bewegt man sich zwischen Selbstermächtigung und Coolsein. Dazu schlendert Mavi in angesagter Streetwear durch ihre Videos und inszeniert sich als taffe Einzelkämpferin.

MTV-Wolke über Linz

Marlene Nader, wie Mavi Phoenix eigentlich heißt, ist in Linz aufgewachsen, zumindest physisch. Ideell eher auf einer MTV-Wolke, wo Anfang der 2000er noch Musikvideos in Dauerschleife liefen. Lucky von Britney Spears hat sich eingebrannt, erzählt sie. Ein Lied über die Schattenseiten des jungen Popstarlebens. Das versteht man mit fünf Jahren – so alt war sie damals – nicht, aber Glanz und Glitzer imponieren.

Andere vergraben den Traum in der Sandkiste, Nader will ihn wahrmachen. Sie bringt sich das Produzieren bei und 2014 ihre erste EP My Fault heraus. Maturiert hatte sie da noch nicht.

Kontakte zur Szene bestehen keine, nichts passiert. Ein Jahr später läuft eine Nummer ihrer EP, Green Queen, plötzlich auf FM4. Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst ruft an, fragt, ob Mavi mit der Band spontan einen Song performen möchte. Sie will.

Mavi Phoenix

In den letzten eineinhalb Jahren hat die junge Künstlerin mehr als 70 Shows gespielt, die wenigsten davon im Inland. Der vorläufige Höhepunkt war ein Auftritt auf dem renommierten Primavera-Festival in Barcelona, wo Branche wie Fans auf Talentsuche gehen. Bald startet ihre eigene kleine Europa-Tour mit Live-Schlagzeuger und Bassist.

Die gerade beginnende Erfolgsgeschichte von Mavi Phoenix basiert vor allem auf ihrer Disziplin sowie dem Bewusstsein, dass Musik Business bedeutet, Musiker auch Marke zu sein haben. Ihre Positionierung als internationaler Act, der auf Englisch singt, kann ihr Türen öffnen, die österreichischen Bands wie Wanda oder Bilderbuch ob der Sprachbarriere verschlossen bleiben.

Etappensieg der Disziplin

Dazu kommt ein motiviertes, professionelles und gut vernetztes Team, das Gespür für Marketing, digitale Trends und das richtige Timing mitbringt. Berührungsängste, mehr in Richtung Mainstream zu gehen, um irgendwann auch in Amerika erfolgreich zu sein, gibt es keine. Aber alles mit der Zeit.

Vom internationalen Shootingstar merkt man im Gespräch übrigens angenehm wenig. Nader plaudert sympathisch im Dialekt, erzählt beiläufig von ihrer Fünfer-WG. "Ich leb' jetzt nicht wie eine Kaiserin, aber es geht sich aus", sagt sie darauf angesprochen, ob der Phoenix bereits von seiner Musikasche leben kann. Nach vier Jahren im Business ist das durchaus bemerkenswert.

Mavi Phoenix

51 Prozent hält sie an der LLT Records Gmbh, der Firma, die sie mit den Bilderbuch-Managern Christoph Kregl und Igor Guizzardi gegründet hat. Dort erscheint ihre Musik, Major Labels zeigt man vorerst die kalte Schulter. Ein klassisches Album will man in nächster Zeit sowieso nicht produzieren.

"Das Ziel ist es, Ende des Jahres ein Werk zu haben. Ich glaube nicht, dass es eine CD geben wird. Ich möchte nicht in die Produktion von etwas investieren, von dem jeder weiß, dass es bald nicht mehr existieren wird." Wenn sie "Werk" sagt, denkt sie am ehesten Richtung Playlist. Titel werden heute immer öfter nacheinander herausgebracht und auf digitalen Plattformen wie Apple Music oder Spotify in Playlist-Form gesammelt, wo sie zum Download oder Stream angeboten werden. Auch hier hat Phoenix die Zeichen der Zeit gut erkannt.

Die Schattenseiten des jungen Popstarlebens kennt Nader allerdings auch schon. Wegen einer Gastritis musste sie im Mai drei Shows absagen, und auch mit den Schlangen im Business hat sie bereits Bekanntschaft gemacht. Sollte es wirklich einmal klappen mit dem hehren Ziel der Nummer eins in Amerika, wird sie dennoch nicht "lucky" gewesen sein. Auf Glück verlässt sie sich nicht. (Amira Ben Saoud, 23.7.2018)