Fotografische Auseinandersetzung mit dem heiklen Thema Grenzen: Arno Gisinger "Schuss/Gegenschuss", eine Auftragsarbeit für das Museum Hohenems.

Foto: Arno Gisinger

Das virulente Thema der biometrischen Gesichtserkennung ironisch umgesetzt: Zach Blas' "Facial Weaponization Suite" mit der "Fag Face Mask".

Foto: Christopher O’Leary

Grenzen gibt es in Vorarlberg "zum Saua fuatara", das heißt: echt viele. Die meisten von ihnen sind topografisch begründet: Im Osten schirmen stumme Bergriesen gegen Tirol ab, im Westen bildet der Rhein eine Barriere zur Schweiz, nördlich breitet sich der Bodensee aus. Die Grenzen sind auch alle nah: Vom mittleren Rheintal kann man drei Staaten in ein bis zwei Stunden mit dem Fahrrad erreichen.

Im mittleren Rheintal liegt auch Hohenems. Ruhig und aufgeräumt präsentieren sich Straßen, Häuser und Bewohner. In der jüngsten Stadt Vorarlbergs gibt es neben 16.000 Einwohnern auch reichlich Geschichte: mittelalterliche Burgen oben auf dem Berg, einen prachtvollen Renaissancepalast in der Stadt. Zur Geschichte gehörte über drei Jahrhunderte lang auch eine jüdische Gemeinde; Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Sechstel der rund 3000 Hohenemser jüdischen Glaubens.

An deren Leben, deren Freuden und Leiden erinnert seit 1991 das Jüdische Museum Hohenems. Es ist in der Villa Heimann-Rosenthal beheimatet, deren Anblick malerisch zu nennen eine Untertreibung wäre. Seit über 14 Jahren leitet Hanno Loewy die Geschicke dieser Institution, der Deutsche hat die Besucherzahlen zuletzt auf fast 20.000 gesteigert. Im letzten Jahr hat Loewy auch ein Nachkommentreffen von jüdischen Hohenemsern organisiert: 180 davon kamen aus aller Welt angereist und speisten und tratschten an einer hundert Meter langen weißen Tafel unter freiem Himmel im ehemaligen jüdischen Viertel.

Sichtbare und unsichtbare Grenzen

Aktuell ist die Ausstellung Sag Schibbolet! zu erleben, "von sichtbaren und unsichtbaren Grenzen" wird hier berichtet. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzungen mit diesem Thema ist eine kurze Bibelerzählung: Die Gileaditer unterziehen alle, die den Jordan überqueren, einem Sprachtest. Wer das Wort "Schibbolet" (Strömung, Fluss) falsch ausspricht (wie "Sibbolet"), entlarvt sich als verfeindeter Ephraimit und wird umgebracht.

In der von Boaz Daniel kuratierten Ausstellung sind Arbeiten von zwölf Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Lawrence Abu Hamdan dokumentiert in Conflicted Phonemes (2012) Methoden der Sprachanalyse, wie sie von den niederländischen Einwanderungsbehörden verwendet wurden, um die genaue Herkunftsregion von somalischen Asylsuchenden zu eruieren (aufgrund deren dann über den Asylantrag entschieden wurde).

Offensive Ironie

Das virulente Thema der biometrischen Gesichtserkennung (und der mit ihr einhergehenden Möglichkeit zur Freiheitsbegrenzung und Stigmatisierung) thematisiert eine Arbeit von Zach Blas. In Facial Weaponization Suite begegnet der US-Amerikaner der Problematik mit offensiver Ironie, zu sehen ist etwa eine "Fag Face Mask", eine "Schwuchtelmaske" in Pink. Leon Kahane liefert in Frontex Series einen (begrenzten) Einblick in die Räumlichkeiten der europäischen Grenzsicherungsagentur. Mikael Levin hat 1993 Grenzkontrollstellen dokumentiert, die nach Inkrafttreten des Schengenabkommens stillgelegt wurden (Café de la Frontière). Ob es hier wohl auch in den nächsten Jahren so ruhig bleiben wird? Laut Information der Ausstellungsmacher haben 1990 weltweit nur 15 Staaten ihre Grenzen mit Zäunen und Mauern gesichert, mittlerweile sollen dies schon wieder 70 Staaten tun.

Fluchtversuche im Zweiten Weltkrieg

Markant im wahrsten Sinn des Wortes sind auch die zwölf Grenzsteine, die im Haus aufgestellt worden sind. Den realen Grenzmarkierungen täuschend echt nachgebildet, fungieren sie als Hörstationen, an denen man über Fluchtversuche von Vorarlberg in die Schweiz zur Zeit des Zweiten Weltkriegs erfahren kann.

Gleichsam auf sachte Weise umgrenzt ist die Villa Heimann-Rosenthal von vier großen, auf halbtransparente Banner gedruckten Negativen von 180-Grad-Panoramaaufnahmen eines Grenzsteins beim Alten Rhein. Die Auftragsarbeit des Museums stammt vom Fotokünstler Arno Gisinger (Schuss/Gegenschuss). Die Grenze – Schutz und/oder Hindernis? Die Ausstellung lädt in aller Offenheit ein, sich darüber so seine Gedanken zu machen. (Stefan Ender, 23.7.2018)