Kiel – Viele Forscher geben insbesondere dem weltumspannenden Warenverkehr mit seinen vielen Schiffsbewegungen über Ozeane hinweg die Schuld daran, dass immer mehr Arten in fremde Ökosysteme einwandern. Nun haben Wissenschafter Hinweise darauf entdeckt, dass die Schiffe dabei nicht nur als Transportmittel dienen, sondern dass sie die mitgeführten Organismen sogar für die Eroberung neuer Lebensräume trainieren.

Amerikanische Rippenquallen in der Ostsee, Mittelmeer-Miesmuscheln in Südafrika oder Australische Seepocken in der Nordsee – immer wieder erobern sich Arten Lebensräume, in denen sie bis dahin nicht heimisch waren. Dieser an sich natürliche Prozess wird vom Menschen noch deutlich beschleunigt. Vor allem Meeresorganismen reisen in oder an Schiffen um die ganze Welt. Doch nicht alle Arten schaffen es auch, sich in den Zielregionen zu behaupten. Welche Arten wo und warum erfolgreich sind, ist noch nicht völlig geklärt.

Beim Transport widerstandsfähiger werden

Nun haben Wissenschafter um Mark Lenz vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel nachgewiesen, dass Hitzestress während der Reise eine Population widerstandsfähiger und damit potenziell erfolgreicher bei einer Neuansiedlung machen kann. "Dieser Faktor wurde bei der Untersuchung von Bioinvasionen bisher nicht beachtet", meint Lenz. Frühere Studien hatten zwar gezeigt, dass invasive Arten Umweltstress oft besser vertragen als verwandte, aber nicht-invasive Arten, die ähnliche ökologische Nischen besetzen. Es blieb aber unklar, ob diese Stresstoleranz den invasiven Arten von Natur aus eigen ist, oder ob sie auf dem Weg von der Herkunftsregion in die neue Heimat antrainiert wurde.

Um diese Frage zu untersuchen, simulierten die Forscher mit verschiedenen Arten aus der Familie der Miesmuscheln (Mytilidae) im Labor einen mehrwöchigen Schiffstransport, bei dem die Muscheln einem Hitzestress ausgesetzt waren. Solche Stressphasen müssen Organismen durchlaufen, die in oder an Schiffen reisen, die aus gemäßigten Zonen kommen und tropische Meere durchqueren. In den Experimenten erlebten die Muscheln, die das erste Hitzeereignis überstanden hatten, später noch eine zweite Stressphase.

Größere Hitzetoleranz bei Miesmuscheln

Die im Fachjournal "Biological Invasions" präsentierten Ergebnisse waren durchaus unterschiedlich: Bei einigen Arten zeigten sich keine Unterschiede zwischen den doppelt gestressten Gruppen und den Kontrollgruppen. Die Muscheln der Art Semimytilus algosus, die in Chile untersucht wurde, als auch die Gemeine Miesmuschel Mytilus edulis aus der westlichen Ostsee zeigten jedoch nach dem ersten Hitzestress eine größere Toleranz gegenüber einer weiteren Hitze-Belastung. "Dieser Unterschied war bei Mytilus edulis noch deutlich größer als bei der südamerikanischen Art", erklärt Lenz.

Für diese zwei Arten zeigt der Versuch also, dass Stress während eines Schifftransports eine Gruppe von Organismen für weitere Stressereignisse trainieren kann – zum Beispiel für die, die während der Invasion in ein neues Verbreitungsgebiet auftreten. "Bei einigen Arten ist der Mensch mit seiner Technik also nicht nur Transporteur, sondern auch Trainer für Bio-Invasoren", so Lenz. "Das muss bei weiteren Untersuchungen zu diesem Thema berücksichtigt werden." (red, 23.7.2018)